Drachenklänge
ich dich jetzt ganz für mich allein habe.«
»Aber du hast mich nicht für dich allein, Robie«, korrigierte sie ihn. Ihre Stimme klang so merkwürdig, dass er zu ihr hochblickte und bemerkte, dass seine Mutter die Stirn runzelte. »Du teilst mich mit allen Bewohnern von Benden, und vor allem meine Schüler
haben einen berechtigten Anspruch auf mich.«
Eine Weile sann er darüber nach. »Ja, sicher, aber es ist trotzdem anders als in der Harfnerhalle.«
»Recht hast du«, räumte sie leise ein. Dann schlug sie einen forschen Ton an. »Und jetzt sollten wir beide ein wenig üben, damit wir unsere Vorstellung im Weyr nicht verpatzen.«
*
Später erzählte Robinton Falloner von der Einladung.
»Kommst du auch mit?« fragte er hoffnungsvoll.
»Ich? Nein. Warum sollte ich?«
»Aber … aber … aber …«
Falloner winkte ab und grinste lässig. »Hier in der Burg bin ich gut aufgehoben. Meine leibliche Mutter starb bei meiner Geburt. Meine Pflegemutter ver-161
schied an einem Fieber, das die Heilerin nicht senken konnte, und jetzt gibt es da droben im Weyr niemanden mehr, den ich gern Wiedersehen möchte.«
»Nicht mal deinen Vater?«
Falloner legte den Kopf schräg und sah seinen Freund aus leicht zusammengekniffenen Augen an. »Mein Vater bedeutet mir genauso wenig wie dir der deine.«
»Ich habe nie etwas in dieser Hinsicht gesagt …«
»Aber du sprichst niemals über ihn. Daraus schließe ich, dass du ihn nicht vermisst. Außerdem möchte ich Carola nicht begegnen. Lady Hayara behandelt mich sogar besser als Stolla …« Seine Stimme nahm einen weichen Klang an. »Sie ist sehr nett, obwohl sie als Aufseherin über die Unteren Kavernen ein eisernes Regiment führt. Im übrigen habe ich es ihr zu verdanken, dass ich nach Benden gehen durfte. Sie riet S'loner, mich hierher zu schicken, bis Gras über die Sache gewachsen ist …« Er brach ab und schnitt eine Grimasse, als hätte er sich versehentlich verplappert.
»Worüber soll Gras wachsen?«
Doch Falloner stellte sich dumm und mimte den
Arglosen. »Gras? Was meinst du damit?«
»Du sagtest gerade …« Robinton begriff, dass er besser nicht nachhaken sollte und zog es vor zu schweigen.
»Schon gut. Ich hab mich wohl verhört.«
Lady Hayara sorgte dafür, dass Falloner dann doch mit Merelan und Robinton in den Weyr ging.
»Falloner kann Robinton Gesellschaft leisten«, er-klärte sie der Sängerin. »Er wird ihn durch den Weyr führen und ihm alles Sehenswerte zeigen. Gleichzeitig passt er auf, dass er nicht aus Versehen irgendeine Sperrzone betritt.« Sie bedachte Falloner mit einem ernsten Blick, der jedoch bald durch ein herzliches Lächeln abgemildert wurde. »Und von dir erwarte
ich, Falloner, dass du die kleine Larna nicht mehr pie-sackst.«
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»Sie läuft mir immer hinterher«, beklagte sich Falloner und zog eine Schnute. »Larna ist Carolas Tochter«, erläuterte er zu Merelan gewandt, »und sie kann furchtbar lästig werden.«
»Noch etwas, Falloner«, fügte Lady Hayara mit er-hobenem Zeigefinger hinzu. »Kümmere dich gut um
Robinton und führe ihn ein bisschen in die Organisation eines Weyrs ein. Ein angehender Harfner sollte mehr über die Drachen und ihre Reiter wissen, als in den Liedertexten steht.«
Der braune Drache, der die Gäste abholte, ließ es ohne weiteres zu, dass auch Falloner auf ihm ritt.
Auch sein Reiter hatte nichts gegen den zusätzlichen Passagier einzuwenden. Als er Falloner sah, begrüßte er ihn mit einem schiefen Grinsen.
»Na, darfst du wieder zurück, Weyrling?«
»Anscheinend ja, C'vrel. Danke, Falarth«, fügte Falloner hinzu, als er sich auf den Rücken des Braunen schwang und den Platz hinter Robinton einnahm.
Robinton hätte alles darum gegeben, zu erfahren, was diese Bemerkung bedeutete, doch er glaubte
nicht, dass Falloner es ihm je erklären würde. Ehe er weiter darüber nachdenken konnte, sprang der Braune mit einem gewaltigen Satz in die Höhe und Robinton wappnete sich für den Eintritt in das Dazwischen .
Dankbar vermerkte er, dass Falloner seine Arme um ihn schlang und ihn beim Übergang in diese grausige Kälte festhielt. Im Dazwischen spürte er nichts, trotzdem war ihm irgendwie bewusst, dass Falloner ihn mit eisernem Griff umklammerte. Dieses Mal empfand er den merkwürdigen Schwebezustand im schwarzen
Nichts nicht mehr so beängstigend wie bei seinem ersten Drachenritt – und dann war ihm das große Glück vergönnt, einen Weyr aus luftiger Höhe zu sehen.
Der Benden Weyr
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