Drachenklänge
zeigen, wenn es fertig ist. Ich bestehe darauf.«
Er lachte noch, als er in seinem eigenen Quartier verschwand.
»Was hatte das Ganze zu bedeuten?« wollte einer
der Gesellen, ein angehender Holzschnitzer, von Rob wissen.
»Ach, das war ein Witz unter Harfnern«, winkte Robinton ab.
260
Der junge Holzschnitzer zuckte die Achseln und
wandte sich zum Gehen.
Robinton war froh, als sich die Tür zu seinem Quartier schloss und er wieder allein war.
*
Nach diesem Vorfall änderte sich Robintons Beziehung zu Meister Lobirn drastisch. Von nun an behandelte der Meisterharfner ihn als Gleichgestellten und zollte ihm den Respekt, den er einem Harfner seines Ranges entgegengebracht hätte. Dieses Kompliment erfreute Robinton, machte ihn jedoch auch verlegen.
Seine Instruktoren in der Harfnerhalle waren gütige Lehrmeister gewesen, hatten ihn stets ermutigt und unterstützt, doch immer war er ihr Schüler geblieben.
Und nun betrachtete Meister Lobirn ihn trotz des Altersunterschiedes und seiner großen Erfahrung als einen ebenbürtigen Partner. Diese Behandlung gab Robinton einen gewaltigen Auftrieb, und er nahm sich vor, niemals diesen Status auszunutzen. Im Gegenteil, er arbeitete härter als je zuvor, in dem Bestreben, Lobirn nicht zu enttäuschen.
Aber dieser Aspekt führte ihm auch überdeutlich
vor Augen, wie sein Verhältnis zu Petiron beschaffen war, ließ ihn klar erkennen, was er als Kind vermisst hatte. In seiner Verbitterung nannte Rob seinen Erzeuger in Gedanken nur noch Petiron, er gewöhnte es sich systematisch ab, von ihm als seinem Vater zu denken.
Vielleicht konnte er eines Tages die schmerzlichen Kränkungen verzeihen, mit denen Petiron ihn ständig brüskiert hatte, doch bis dahin würde eine lange Zeit vergehen. Derweil sonnte er sich in der Gewissheit, von Meister Lobirn die Anerkennung zu erfahren, die Petiron ihm hartnäckig verweigert hatte. Und ganz all-261
mählich begannen die unangenehmen Erinnerungen
zu verblassen.
Nachdem der Winter im Hochland noch einmal mit
Schneestürmen und klirrender Kälte kräftig angezogen hatte, setzte die Frühlingsschmelze ein und ver-wandelte die Wege und Berghänge in Schlammströme.
An den Bäumen sprossen die ersten Knospen, und im Tal bestellten die Bauern ihre Äcker und Felder. Meister Lobirn arbeitete die Dienstpläne für seine Gesellen aus.
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Robinton, dass es im gesamten Südwesten des Hochlands keine einzige Markierung gab, die anzeigte, dass dort entweder ein Harfner tätig war oder angefordert wurde.
»Wahrscheinlich herrscht Fax über dieses Gebiet«, mutmaßte er.
»Richtig geraten«, bestätigte Lobirn.
Mallan grinste schief.
»Er duldet keine Harfner in seinem Einflussbereich«, erklärte Lobirn in ätzendem Ton.
Robinton horchte auf. »Und warum nicht?«
»Er möchte nicht, dass wir die Köpfe seiner Pächter mit unwichtigen Informationen voll stopfen.«
»Unwichtige Informationen … Aber jeder hat doch
das Recht, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen.«
»Fax will aber keine gebildeten Pächter, Rob«, er-läuterte Mallan. »So einfach ist das.« Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und kippte seinen Stuhl nach hinten. »Was sie nicht wissen, können sie auch nicht einfordern. Denn ein Analphabet kann sich nicht selbst davon überzeugen, welche verbrieften Grund-rechte ihm zustehen.«
»Das ist doch … das ist doch …« Robinton fehlten die Worte. »Kann Lord Faroguy denn nicht darauf bestehen, dass diese Leute unterrichtet werden?«
Lobirn stieß ein Grunzen aus. »Er hat Fax nahege-262
legt, dass ein bestimmtes Grundwissen im Allgemeinen als Vorteil gilt …«
»Und das war alles?« Empört sprang Rob von seinem Stuhl hoch.
»Beruhige dich, Junge, und setz dich wieder hin.
Es ist ja nicht so, als ob wir nicht genug Lernwillige hätten.«
»Aber Fax verwehrt seinen Leuten den Zugang zur
Charta!«
»Er streitet ab, dass es überhaupt eine Charta gibt!«
ergänzte Mallan.
»Die Charta garantiert einem Burgherrn auch das
Recht auf Autonomie«, wandte Lobirn ein.
»Genauso, wie sie für berechtigte Ansprüche seiner Untertanen bürgt«, hielt Robinton seinem Meister entgegen.
»Sei nicht naiv, Rob. Aus eben diesem Grund will Fax es ja verhindern, dass seine Pächter Lesen lernen.
Er hält sie mit Absicht dumm.« Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ Mallan seinen Stuhl wieder krachend auf alle vier Beine fallen. »Lass es dir bloß nicht einfallen, deinen
Weitere Kostenlose Bücher