Drachenklänge
zum Gesellen beförderte, jetzt stellt es sich auch noch heraus, dass du schon als Zehnjähriger komponiert hast!« Lobirn knallte die betreffenden Partituren auf den Tisch und hieb mit der Faust darauf.
Dann wandte er sich wieder Robinton zu, der es für klüger gehalten hatte, sich hinzusetzen.
»Offen gesagt …« Robinton krümmte sich innerlich, weil er nicht umhin konnte, mit der Wahrheit herauszurücken. »Ein paar Lieder habe ich schon früher geschrieben.«
»Wann genau hast du angefangen zu komponieren?« Lobirns Augen schienen aus dem Kopf zu quellen. Beide Fäuste auf den Tisch gestützt, beugte er sich drohend über Robinton. »Wie alt warst du, als du die erste Melodie erfunden hast?«
»Ich … meine Mutter hat mir erzählt, ich hätte mich mit Variationen beschäftigt, da war ich erst drei.«
In einem seiner jähen Stimmungsumschwünge glotzte Lobirn ihn an, dann legte er den Kopf in den
Nacken und brüllte vor Lachen. Er lachte so herzhaft, dass er sich an der Tischkante festhalten musste und sich schließlich auf einen Stuhl plumpsen ließ. Die Tür wurde aufgerissen, und Lotricia rauschte herein, um nachzusehen, was los war. Die Gesellen, die nebenan wohnten, drängten sich gleichfalls in die Stube.
»Was geht hier vor, Lobirn?« erkundigte sich Lotricia mit fragend erhobenen Augenbrauen. »So laut hast du nicht mehr gelacht, seit Fax ins Weinfass gefallen 258
ist und feststeckte.« Sie lächelte breit. Alle, außer Robinton, grinsten vor Vergnügen.
»Ich weiß nicht, was ich so Witziges gesagt haben soll«, stammelte Robinton. Der Anlass für Lobirns Heiterkeitsausbruch lag noch auf dem Tisch, und hastig klaubte Rob die Notenblätter zusammen.
Doch Lobirn hielt seine Hand fest. Schwer atmend und immer wieder von einem Kichern unterbrochen, wandte er sich an seine Frau. »Robinton hat all die neuen Lieder geschrieben.«
»Ja, und?« erwiderte Lotricia verwirrt.
Meister Lobirn bekam einen neuen Lachanfall.
Lotricia stemmte die Hände auf ihre ausladenden
Hüften. »Ich muss mich doch sehr wundern, Lobirn, dein albernes Verhalten ergibt absolut keinen Sinn, dabei bist du doch sonst so vernünftig«, tadelte sie ihn pikiert. »Und jetzt will ich wissen, worüber du dich schier ausschütten willst vor Lachen. Beruhige dich endlich! Rob, ist noch etwas Klah in der Kanne?«
Hastig schenkte Robinton lauwarmes Klah in eine
saubere Tasse, die Lotricia ihm abnahm und Lobirn reichte. Immer noch glucksend und prustend, nahm Lobirn einen großen Schluck. Das schien sein Gleichgewicht wieder herzustellen. Sich die Tränen aus den Augen wischend, winkte er die Umstehenden zu sich.
Dann tippte er mit der Hand auf die Notenblätter.
»Robinton, unser jüngster Geselle, hat die meisten Lieder und Stücke komponiert, die ich euch – beim Ersten Ei! – beigebracht habe …«
»Hast du sie wirklich geschrieben, Junge?« vergewisserte sich Lotricia mit leuchtenden Augen. »Ich habe immer gesagt, nicht wahr, Lobirn, er ist ein guter und intelligenter Junge. Und dabei so bescheiden!
Aber wieso steht dein Name auf keinem Blatt?«
»Ein Lehrling darf nicht mit seiner Unterschrift sig-nieren …«
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»Verstehst du jetzt, was an der Sache so komisch ist, Lotricia?«
»Nein, Lobirn, ich gebe zu, dass ich daran nichts Lächerliches finden kann. Im Gegenteil, ich halte diese Musik für unglaublich schön. Die Melodien sind so eingängig …«
»Genau das ist es! Darin besteht ja der Witz!«
räumte Lobirn ein und tätschelte die Hand seiner Frau.
Lotricia blickte verständnislos drein.
»Die Musik, die Robintons Vater schreibt, wird nicht kopiert und an sämtliche Burgen und Hallen verteilt«, erläuterte Lobirn. »Robintons Musik, die er bereits im Alter von drei Planetenumläufen komponierte, kennt hingegen jeder. Verstehst du jetzt?«
Der Umstand, dass seine Gemahlin die Pointe nicht begriff, regte Lobirn dermaßen auf, dass sein Hals wieder anschwoll und sich rötete. »Der Witz geht auf Petirons Kosten. Er ist es, über den ich lache. Dieser ein-gebildete, hochnäsige Perfektionist besitzt nicht halb so viel Talent wie sein Sohn!«
Lobirn sprang auf, gluckste vor Lachen und schlug Robinton kumpelhaft auf die Schulter. Dann raffte er die Notenblätter zusammen, die auf dem Tisch lagen, und wollte gehen. Auf der Türschwelle merkte er, dass er Robintons angefangene Komposition in der Eile mitgenommen hatte. Kichernd gab er sie dem Jungen zurück. »Du musst mir dein neuestes Werk unbedingt
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