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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Flüssigkeit in seine geöffnete Hand fallen und verschließt sich den tausend Stimmen. Nur einer einzigen gestattet er, in ihn zu dringen, und diese Stimme fragt unaufhörlich: Was bin ich? Weshalb bin ich? Was bist du? Weshalb bist du? Wo bist du…, wo…, wo?
    Alles sei in dir, sei in allem. Marigg kann sich kaum noch dessen erinnern, daß diese ungeduldige Stimme ihm einst Angst einflößte, sein Bewußtsein trübte, seinen Willen mit einer Macht niederrang, die reine Lauterkeit des Sinns ist und wohl nur deshalb mit solcher Gewalt bis zu ihm dringen konnte.
    Auch das ist jetzt anders. Die Stimme klingt warm und klug. Sie spricht einfach, aber eindringlich. Sie gibt ihm Bilder, die er nicht zu deuten vermag, doch auch Empfindungen, die ihm sehr wohl bekannt sind.
    Marigg wagt nicht den Versuch, diesen fremden Willen ebenfalls unter seine Macht zu zwingen. Ihm wurde kein Kampf angetragen, sondern Verständigung. Kampf kann es nur zwischen Meistern geben, und selbst das ist kein wirklicher Kampf, sondern eine Prüfung, in der das Neue, Gewachsene sich beweisen, das Recht auf Nachfolge erwerben muß – das hat Marigg nun unter Schmerzen begriffen.
    Er erreicht unbehelligt das Trailerdeck. Niemanden hat verwundert, daß der Lander starbereit ist. Die Basis ist nicht mehr fern, und eher wäre es befremdlich, wenn die Mannschaft völlig vergessen hätte, daß es dort unten Frauen gibt, denen kosmischer Staub auf den Schultern mehrimponiert als Tintenkleckse auf den Ärmeln der Uniform.
    Kein Mensch kümmert sich um Marigg, auch nicht, als er in den Lander steigt und das Luk hinter sich verriegelt. Als er die Countdown-Automatik einschaltet, schlendern die Mechaniker gleichgültig aus der Startkammer. Die Schotte schnappen zu und bilden eine unüberwindbare Barriere zwischen seinen zurückgelassenen Skrupeln und dem Willen, der aus Kraft und Erkenntnis wuchs.
    Nun muß er sich darauf verlassen, daß sich Flakke das periphere Regime noch nicht auf das Kosmanderpult geschaltet hat. Aber weshalb sollte er es getan haben, wie konnte er ahnen, daß einer seiner Leute im Begriff ist, mit dem Lander die Ikaros zu verlassen. Der Zentralautomat gibt das Signal, öffnet das Außenschott der Startkammer. Wie eine grobe Faust reißt Marigg der Andruck des Katapultstarts in die Wirklichkeit zurück.
    Es ist geschehen, sagt sich Marigg ruhig, als der Lander mit fauchenden Bremstriebwerken in den Kessel der Caloris Planitia fällt. Und als er endlich Flakke entsetzt schreien hört, er solle sofort umkehren, rührt ihn das nicht, auch nicht der Hinweis darauf, daß er den einzigen Lander der Ikaros in Gefahr bringt.
    “Niemand ist in Gefahr, Kosmander”, antwortet er sachlich, “höchstens ich selbst. Mein Risiko ist aber viel geringer, als Sie glauben. Ich nehme Kontakt auf zu den Lebewesen, die sich irgendwo auf dem Gebiet der ehemaligen Station Nabuthot befinden… Omega.” Dann schaltet er das Funkgerät ab.
    Die zerklüftete Oberfläche des Merkurs gleißt im stechenden Licht der Sonne.
    Klar und rein schwingt der Ruf durch seine Gedanken: Wer bist du…, wo bist du…, wo…? Er muß ein Meister sein, denkt Marigg, denn trotz der Kraft des Elixiers der Sterbenden Sonne dringt diese übermächtige Stimme durch seinen Verstand hindurch bis an die Haut seines Herzens, und ganz kurz blitzen wieder Bilder durch sein Denken und Fühlen, die ihn verwirren, obwohl er sie schon so oft geschaut hat.
    Er spürt, daß ich komme, obgleich ich mich ihm verschließe, überlegt er ruhig. Marigg muß alle mentale Kraft zusammennehmen, um sich gegen den Einfluß der Stimme zu schützen. Ließe er nur eine Winzigkeit nach in seiner Konzentration, könnte er die Gewalt über den Lander verlieren…
    Warum schweigst du? dringt es in ihn. Warum?
    Wie soll er ihm das erklären. Marigg befürchtet, daß die geringste Lockerung der mentalen Blockade, wie sie ein Dialog erforderte, etwas auslösen könnte, was wie eine Flutwelle über ihn hereinbricht, ihn mit sich reißt in Gefilde, die weit außerhalb seines Bewußtseins liegen.
    Warum schweigst du, warum, warum, warum…?
    Marigg fängt den Lander einige Kilometer über den unzähligen Kratern ab. Am Horizont gleißen bereits die zerborstenen Kuppeln der Station Nabuthot.
    Das Elixier schärft auch seinen Richtungssinn für den Ruf des Fremden; dort hinten, irgendwo zwischen den Trümmern der zerstörten Forschungsstation, muß er auf Marigg warten.
    Wer bist du, wie bist du, was bist du, warum

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