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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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behutsam über die Schatulle. Noch nie hat er das Elixier benutzt, diese letzten, unendlich kostbaren Tropfen, die aus einer Pflanze gewonnen worden waren, deren Heimat längst von einer Supernova verschlungen wurde, zu einer Zeit, da sich auf Ellora gerade die ersten Anfänge einer eigenen, von der terranischen so unterschiedlichen Kultur herausbildeten. Ein einziger Tropfen der Essenz gibt ihm für Stunden Macht über fremde Hirne und schützt ihn zugleich vor mentaler Beeinflussung. Doch wenn er sich dieser Kraft bedient, wird er danach nur noch ein Schatten seiner selbst sein. Sein Organismus wird alle Energie dieser einen Kraft nutzbar machen – er könnte, sogar sterben, ließe er sich zur Maßlosigkeit verleiten. Diese Gefahr aber besteht bei ihm nicht. Er benötigt nicht Macht, sondern Schutz. Zur Machtausübung ist er nicht fähig, da hat Dual Dinge in ihm sehen wollen, die es nicht gibt. Marigg ist nicht für die Macht geschaffen, die angeblich in ihm ruhen soll. Liebe, Verständnis, Ehrlichkeit – das bringt zwar Erfüllung, die man vielleicht sogar Glück nennen kann, das hat jedoch mit Kraft oder Stärke nichts zu tun. Auch wenn man versucht, anderen davon zu geben – ist das etwa Macht? Ist es Macht, Glück geben zu wollen?
    Marigg schüttelte den Kopf. “Verzeih mir, Dual”, flüstert er, “aber ich brauche es für mich ganz allein. Einen Tropfen nur, wirklich nur einen…”
    Er hat alles vorbereitet. Der Merkur ist fast erreicht.
    Die Materieausbrüche der solaren Vorbeben haben der Ikaros die Segel weggefetzt, als wären es Papierbahnen gewesen. Flakke mußte umkehren, um die Takelage zu erneuern.
    Überhaupt, an die letzten Tage mag Marigg nur ungern denken. Hermel ging ihm konsequent aus dem Weg, und Marigg wußte bald, weshalb. Diese Frau hat eine Gewalt über Goff, deren dieser sich noch gar nicht bewußt ist. Marigg hingegen weiß es sehr wohl, denn er konnte der Versuchung schließlich doch nicht widerstehen, ein wenig in den Gedanken der Terraner zu forschen. Erst plagte er sich mit Selbstvorwürfen herum, aber die wurden immer schwächer – Ellora ist weit, und Goff ist nah.
    Es war ihm beinahe peinlich, wie er feststellen mußte, daß seine Zuneigung für Skamander zu einem ganz und gar unbedeutenden Gefühl wurde, als Goff die Ikaros betrat. Er schalt sich und wies sich zurecht, aber die Schönheit dieses Terraners schlug ihn in ihren Bann wie am ersten Tage der Bekanntschaft. Seine Bereitschaft, ihm alles zu verzeihen, wuchs über alles hinaus, was er fühlte und empfand – wenn sich Goff doch nur noch ein einziges Mal zu ihm legen wollte! Aber Goffs Gedanken waren so weit von ihm, daß er seit langem wieder einmal seine Einsamkeit fühlte.
    Anfangs spürte er in Goff tiefe Verzweiflung, trotz der Wärme, die er ihm im Herzen der Kürbiseiche gegeben hatte. Es ging um ein Kind. Doch aus dieser Verzweiflung wuchsen eine unglaubliche Zuversicht, eine Willensstärke und eine Kraft, die Marigg unheimlich wurden. War dies ein Zipfel des Geheimnisses, von dem der greise Dual sprach? Die Frau hat alles verändert, ohne etwas zu tun. Einzig ihre Anwesenheit stellt alles auf den Kopf. Flakke denkt nur noch an den Tod – Marigg kämpft mit sich, ob er dem Kosmander mentale Wärme anbieten soll, kann sich aber nicht dazu durchringen. Skamander glüht in einer Verehrung, die sich nur mit Mühe körperlichen Sehnsüchten verschließen läßt. Goff leidet vor Glückseligkeit und hat gar vergessen, daß er ein Mungo ist. Und auch in jedem anderen Männergehirn spukt auf mehr oder weniger begehrliche Weise diese Hendrikje herum.
    Selbst Marigg ist nicht ganz unberührt von dem Reiz dieser Frau, ohne sagen zu können, worin ihre Anziehungskraft besteht. Sie gehen sich beide aus dem Weg. Bei der Frau ist es die Ahnung von Rivalität – Marigg hat es deutlich gespürt. Aber was ist es bei ihm? Angst vor einem Gefühl, das mehr an Liebe grenzt, als die meisten Menschen ahnen, Angst vor ehrlicher Zuneigung, die aus Bekanntschaft mit der Seele und nicht aus der trügerischen Macht des ersten Blicks, des Schillerns der faszinierenden Hülle wächst?
    Zwischen diesen Terranern wirken Kräfte, die es auf Ellora nicht gibt. Lust gibt es auf Ellora, auch Eifersucht, Treue ebenso wie Gier nach immer wieder neuen und eigentlich doch ewig gleichen Erlebnissen. Aber diese tief in der Vergangenheit allen Lebens wurzelnde Kraft, die Einheit und Widerspruch zu einem Ganzen fügt, die Leid und Lust, Schöpfen und

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