Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Raumschlepper, und Hendrikje unterschrieb mit klopfendem Herzen das Protokoll.
“Wie willst du das jemals wieder geradebiegen?” fragte sie Ireas ängstlich.
Flakke winkte nur ab. “Wenn die Beben vorüber sind, fragt kein Mensch mehr, was wirklich passiert ist, dann gilt deine Unterschrift soviel wie der Segen des Rates für Koordination…”
O doch! Sie hat Flakke geholfen. Zwar plagten sie Zweifel und Selbstvorwürfe, aber sie hat es getan. Eine Lüge sieht auf dem Papier immer ganz anders aus, als wenn man sie nur so dahinsagt. Dennoch entscheidet oft erst die Wirklichkeit, welche Dinge wahr und welche unwahr sind. Man kann Wahrheitsgehalt nur in der Praxis überprüfen, nicht anhand von Meldungen und Berichten.
Und wahr ist: Die Leute von der Ikaros sind auf eine fremde Lebensform gestoßen. Alles andere ist bedeutungslos.
Nein, für mich ist es von großer Bedeutung, korrigiert sich Hendrikje, aber eben nur für mich. Sie preßt sich gegen das Panzerglas und starrt auf den feurig zuckenden Laserstrahl. Das erstemal in ihrem Leben hat sie bewußt gegen eine Vorschrift verstoßen, hat ihre Unterschrift unter eine Fälschung gesetzt. Doch was eigentlich hat sie denn getan mit dieser Unwahrheit, die viel mehr Wahres als Erlogenes in sich birgt?
Ich habe den Leuten von der Ikaros geholfen, sagt sie sich mit einer gewissen Zufriedenheit. Die Moral der Mannschaft ist großartig, wenn auch jeder einzelne mit seinen Nerven arge Sorgen hat. Aber als Gemeinschaft sind sie einfach großartig, trotz aller Reibereien und Zwistigkeiten der letzten Tage. Warum also soll ein Widerspruch, ein Konflikt, das Zünglein an der Waage sein, das gnadenlos die Marke überschreitet, die über Existenz oder Auflösung dieses Kollektivs entscheidet? Warum soll ein Vorgang, der doch eine Bewährung für die Mannschaft bedeutet, zu deren Ungunsten ausschlagen?
Ist dieser Drachenkreuzer nicht ein Stück von der Zukunft, wie sie Hermel erträumt, tragen wir diese Zukunft nicht schon längst in uns? Hendrikje zaudert bei diesem Gedanken.
Wie sie hier auf der Ikaros um ihr Zuhause kämpfen, nicht anders können, jeder einzelne – das hat sie ungemein beeindruckt. Aber daß diese Gruppe in solche Probleme gestürzt wird, allein durch die drohende Auflösung, erschüttert Hendrikje. Da sind die Menschen auf der Erde doch ganz anders: dynamischer, disponibler, Veränderungen gegenüber – im kleinen zumindest – viel aufgeschlossener. Allerdings auch leichtfertiger.
Ob ich wohl mein Glück in solch einer kleinen, strengen Regeln gehorchenden Gemeinschaft finden könnte, wie sie die Ikarosbesatzung ist? fragt sie sich nachdenklich.
Geborgenheit, Sicherheit, Verständnis – kann das genügen? Hendrikje ist außerstande, diese Frage gültig zu beantworten.
Die Kälte des Universums dringt durch das Panzerglas, Hendrikje spürt sie an ihrer Wange.
Ein dunkler Schatten schwebt heran, sie sieht die Flämmchen der Bremstriebwerke aufzüngeln. Die stählernen Klauen der Auffangvorrichtung packen zu. “Hermel”, flüstert sie, “endlich bist du wieder da.”
Goff stürzt als erster aus dem Schleusentor, eilt auf sie zu und schließt sie in die Arme. Hendrikje rümpft überrascht die Nase – Hermel riecht nicht einfach unangenehm, er stinkt bestialisch. Aber sein Gesicht, die zitternden Finger, seine rauhe Stimme – was ist geschehen?
“Du kannst es dir einfach nicht vorstellen…, so etwas hat noch kein Mensch erlebt…”, flüstert Hermel.
Bald spürt sie den Gestank kaum noch, wundert sich auch nicht über die blutigen, schleimigen Spuren auf seinem Raumanzug. Hermel ist wohlbehalten zurückgekehrt – allein das zählt.
Der Elloraner hastet vorbei, bleibt kurz stehen. “Wo ist Skamander?” preßt er hervor.
“In der Bordklinik, bei Doktor Quadrangel”, antwortet Hendrikje schnell, “es geht ihm sehr schlecht.” Marigg Ellis läuft ohne ein Wort weiter. “Komm mit”, sagt Goff kurz und zieht sie hinter sich her. Hendrikje läßt es willenlos und etwas befremdet geschehen. “Was ist denn los, was hat das alles mit Skamander zu tun?” fragt sie im Laufen.
“Die Glumpe ruft Skamander!” Goff keucht. “Sie wollen nur noch mit Skamander reden.”
“Wer ist das – die Glumpe? Sind das die geheimnisvollen Wesen?” Goff erzählt hastig und zusammenhanglos, sie versteht kaum etwas, nur, daß es da telepathische Kontakte gibt und daß die Männer irgendeinen großen Fehler begangen haben. Hermel und der Elloraner
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