Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
knapp erfüllen können, du würdest der Gemeinschaft schaden – und auch deinen Konten…”
Er hat recht, flüstert es in Hendrikje, die Kennziffern! Und schwach keimt der Verdacht in ihr, daß Dirtiquanz sie nicht ganz selbstlos an ihre Pflichten erinnert; kein Generalorganisator könnte den Kollegen länger die Konstruktion der Ikarosmannschaft als leuchtendes Beispiel für höchste Übererfüllung der Kennziffern vorhalten.
“Flakke wird zwar wütend sein; erst läßt du ihn abblitzen – auch wenn das schon zehn Jahre her ist –, und dann pflückst du seine Besatzung auseinander…”
“Sei ruhig!” zischt sie ihn böse an. “Laß mich jetzt, ich habe zu tun!”
Schon die zweite Anspielung heute. Was zwischen ihr und Ireas Flakke war, geht nur sie etwas an. Außerdem, an Ireas hat sie die ganze Zeit am wenigsten gedacht, der hat seinen Weg gemacht und wird wieder senkrecht auf den Füßen landen. Kosmander des schon fast legendären Drachenkreuzers Ikaros, das ist die beste Empfehlung, die es geben kann. Ihn wird sie ins Oberkommando stecken, zur Beförderung zum Vizeadmiral vorschlagen, unter Umgehung des Dienstreglements, das Auslassen von Dienstgraden untersagt, und dann wird er bald einer der führenden Köpfe der irdischen Raumfahrt sein. Vielleicht wird man im Parkurbanidum eine Straße nach ihm benennen…
So bin ich zu dir, Ireas, denkt sie bitter, obwohl du es wahrlich nicht verdienst! Und sie sieht ihn vor sich, groß und stämmig, skandinavisch drei, mit sich bis auf die Schultern ringelnden dunkelblonden Locken, den haarfeinen scharfen Falten im ungeschminkten Gesicht, das von einem altmodischen Schnurrbart in zwei Hälften geteilt wird – ein schöner Mann trotz seines Alters, aber mit abfällig verzogenem Mund, aus dem es gedehnt klingt: “Etwas muß man dir lassen, Hendrikje Greiff, auf unerklärbare Weise schaffst du es jeden Morgen, die Wohnung in den wenigen Sekunden zwischen Aufstehen und Zähneputzen in einen Zustand zu versetzen, als wäre eine Herde tollwütiger Paviane hindurchgetobt.” Dann war er mitten im Zimmer stehengeblieben und hatte sich nachdenklich umgesehen, dabei nahm sein Gesicht einen ängstlichen Ausdruck an, wie sie ihn in diesen harten Zügen noch nie bemerkt hatte. Einige Tage hatte sie auf Ireas' Rückkehr gewartet und dann das Gerücht ausgestreut, sie habe sich von ihm getrennt, weil seine Manneskraft auch mit Hilfe der Quallen nicht mehr ein Maß erreichte, wie eine junge Frau es von ihrem Lustpartner erwarten dürfte.
Du wirst mich keine Punkte kosten, Ireas, denkt sie grimmig. Du bekommst eine exklusive Stellung, in der du dein ganzes Leistungsvermögen entfalten kannst, denn: “Der Reichtum der Gemeinschaft ist der Reichtum jedes einzelnen”, und: “Heute schaffen wir das Morgen”, und ganz im Sinn der morgigen Tageslosung: “Nicht rückwärts schauen – vorwärts gehen!”
Als ihr jemand auf die Schulter tippt, schreckt sie aus ihren rachsüchtigen Überlegungen auf.
“Ablösung, Henni!” Ihre Freundin Navina lächelt sie an. “Komm, sag mir schnell, was zu machen ist, und dann verschwinde!” Hendrikje erzählt dem quirligen Mädchen mit der seltsam nach oben gebogenen Nasenspitze, die dem Gesicht etwas Entenhaftes gibt, was sich ereignet hat.
“Ich sehe schon, ich brauche nur noch die Programme durchlaufen zu lassen, das ist fein”, sagt Navina erfreut und winkt ihr noch hinterher, als Hendrikje gedankenverloren zwischen den beiden in reinstem Schmieggold leuchtenden Wachhabenden hindurch das Zentrum für Sonnenforschung verläßt.
Das Gewimmel auf der Albertzyklinale verschlingt sie wie ein hungriges Untier. Hendrikje läßt sich nach wenigen Schritten in eine Plusterfarnkugel fallen und streckt sich wohlig, halb liegend, halb sitzend. Hier im Urbanidum Universum hat das wuchernde Grün des Plusterfarns mit seinen flauschigen Federn bald die gesamte Architektur überwuchert, denkt sie, und bei uns müssen immer neue Setzlinge gepflanzt werden, woran liegt das nur? Verträgt er sich nicht mit den Gitterkakteen, die für die vielen Kletterlustigen angebaut wurden?
Sie liebt den Plusterfarn mit seinen leuchtenden mehrfarbigen Blüten, dessen kugelförmige Büsche hervorragende Sitzmöbel abgeben und den man mit Geduld sogar in die Form einer runden Liege bringen kann – aber auch in ihrer Wohnung gehen die Pflanzen immer wieder ein. Den kahlen, Dutzende Meter emporschießenden Gitterkakteen kann sie nur wenig abgewinnen, sicherlich
Weitere Kostenlose Bücher