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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Sonnenforschung zu tun zu haben, und die Versetzung zur Drachenkreuzerflotte – damals war es ja noch eine Flotte – anfangs als Katastrophe empfunden, allmählich aber lernte er, den Gegenstand der Forschung seiner Flotte zu verehren. Er ist frei von aller Sentimentalität und Romantik, und das erst gibt seiner Verehrung Gewicht, wie er meint. Denn die Sonne ist das Sinnbild seiner Lebensweise: Man muß nicht ganz oben stehen in der Hierarchie, aber die Welt, die man aus sich selbst geschaffen hat, muß man unanfechtbar beherrschen, und der Abstand zur nächsthöheren Gewalt sollte so groß sein, daß sich deren Wirken darauf beschränkt, eine beruhigend weit entfernte Grenze abzustecken. Was interessieren die Sonne schon Dinge, die irgendwo im Zentrum der Galaxis geschehen, und was geht es Vegard Quadrangel an, was sich außerhalb des Drachenkreuzers Ikaros ereignet…
    Allerdings ist die Sonne etwas durcheinander zur Zeit, und Vegard ergeht es ähnlich. Er öffnet leise die hermetische Tür zur ITS-Schleuse und zieht sie ebenso vorsichtig hinter sich zu. Während er die sterile Kombi überstreift, muß er lächeln, weil ihm bewußt wird, daß er noch mit Leib und Seele Arzt ist. Er hätte die luftdichte Tür auch hinter sich zuknallen können – in der Intensivstation hätte man absolut nichts gehört, denn die zweite Schleusentür ist mehr ein Schutzwall als eine simple Pforte: Sie schirmt eigentlich alles ab, was man nur abschirmen kann.
    So bin ich eben, denkt Quadrangel zufrieden, sobald ich an meinen Beruf denke, kontrolliert dieser Gedanke all meine Handlungen, ob bewußte oder unbewußte. So muß es sein.
    Aber dieses stolze Gefühl schwindet augenblicklich, als er die zweite Schleusentür hinter sich schließt und in das Gesicht des Proximers Bruno von der Hohen Aue blickt.
    “Pssst!” Superproximer Styx hebt beschwörend den Zeigefinger an die Lippen. “Er schläft wieder, Doktor! Ich glaube, er kommt durch!”
    Idiot! denkt Vegard und mustert kurz die Beule auf Styx' Stirn, deren leuchtendes Grün und Blau allmählich einem gesunden Braun weichen. Idiot! Das zu beurteilen überlaß gefälligst mir. Außerdem sagt Styx nichts Neues. Seit einigen Stunden haben sich die Kurven auf den unzähligen Bildschirmen, die Aufschluß über den Gesundheitszustand des Patienten geben, merklich stabilisiert. Natürlich kommt er durch! sagt sich Vegard Quadrangel. Mit diesem Herzen übersteht man so etwas eben.
    Ihm wird kurz bewußt, daß er etwas getan hat, was gegen alle Vorschriften verstößt: Nie hätte er erlauben dürfen, das Styx am Bett des Verunglückten Wache hält, ohnehin sagen die Meßwerte der Geräte dem Arzt viel zuverlässiger als menschliche Augen und Ohren, wie es um den Patienten steht. Aber Styx hatte ihn auf eine Art und Weise angesehen, daß seine Lippen ganz von selbst ja sagten und er sich einen Dreck darum scherte, was sein Verstand ihm entgegenhielt.
    Natürlich kommt von der Hohen Aue durch, er muß durchkommen – sonst ist Vegard Quadrangel erledigt.
    Quadrangel starrt in das bleiche Speckgesicht seines Patienten. Es war eine Sache von Sekunden, normalerweise hätte er das Laken über das Gesicht des Proximers ziehen müssen. Aber dann hätte es eine Untersuchung gegeben, und in deren Ergebnis wäre herausgekommen, daß der Bordarzt der Ikaros einen Mann raumtauglich schrieb, der ein Kunstherz in der Brust trug. Irgendwie hätte er sich schon herausgewunden. Wenn man von Menschlichkeit und Verständnis für die ideellen Bedürfnisse der Bürger spricht, glaubt einem jeder alles, was man so vorbringt – Vegard hätte die Sache dramatisch aufbauschen können: Arzt zwischen Pflicht und Menschlichkeit – oder so ähnlich. Aber darauf kommt es ihm ja gar nicht an. Er will Ergebnisse. Allein sein Material über die Mungos dürfte einiges wert sein. Sie zu melden wäre totaler Blödsinn gewesen – sie wären unter die offizielle Beobachtung des MOBS gestellt worden, und die vor allem interessanten psychischen Aspekte dieser Erkrankung hätten einige Zeilen im Anhang irgendeines Berichts ausgemacht, und selbst davon wäre die Hälfte verkehrt gewesen.
    Seine Rechtfertigung ist bereits schriftlich fixiert, und Vegard zweifelt nicht daran, daß seine Resultate die Verfehlung mehr als aufwiegen. Aber Bruno von der Hohen Aue hätte ihn um Kopf und Kragen bringen können. In diesem Fall könnte er beim besten Willen kein gesellschaftliches Interesse nachweisen.
    Doch haben große Geister

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