Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
hingegen ist weniger unglücklich über die Störung, denn ihre Gedanken umkreisen verzweifelt die Frage, welche Lösung der Generalorganisator von ihr erwartet. Einzig der Umstand, daß es ihr Kollege Reinold Dirtiquanz ist, der den General um ein Gespräch bittet, lenkt ihre Aufmerksamkeit auf den Bildschirm.
“Ich muß Sie dringend unter vier Augen sprechen, General, es ist wirklich sehr wichtig!” sagt Reinold.
“Unsinn!” erwidert Aberschwenz. “Unter vier Augen – was soll das? Ich habe keine Zeit für solche Mätzchen. Reden Sie jetzt, oder lassen Sie's bleiben!”
Hendrikje erfaßt ein unangenehmes Gefühl, als sie Dirtiquanz krampfhaft schlucken sieht. Sein Blick ruht auf ihr, und ganz offensichtlich erwartet er vom Chef, daß der sie hinausschickt.
“Beim Großen Sirius, reden Sie jetzt, oder verschwinden Sie aus der Leitung!” faucht Aberschwenz böse.
Reinold treten dicke Schweißtropfen auf die Stirn, die das Regenbogenband aus Flimmerflitter mit funkelnden Bläschen bedecken. “Du mußt das verstehen, Henni, aber es ist nun mal unsere Pflicht, auch wenn wir es nicht gern tun…”, druckst er herum, doch bevor er weiterreden kann, unterbricht ihn Aberschwenz schneidend.
“Sie tun Ihre Pflicht nicht gern, Dirtiquanz? War es das, was Sie mir unter vier Augen mitteilen wollten?”
Reinold erstarrt förmlich zu Eis. Eisig und unpersönlich klingt jetzt auch seine Stimme. “Generalorganisator! Nach gründlicher Beobachtungbin ich zu der Überzeugung gelangt, daß die Bürger Meindolf Gertelgard, Sindig Findelsick und Ivara Sigmar an Mungoismus erkrankt sind.”
Aberschwenz blickt nur kurz auf und sagt mißmutig: “Jaja, ist gut, Dirtiquanz, ich werde mich darum kümmern.” Und als sich Reinold abwartend räuspert, fragt er: “Noch was?”
“Ich dachte, wir…, soll ich nicht den MOBS…”, stammelt Reinold.
Aberschwenz zieht mißbilligend die Augenbrauen hoch, seine Mundwinkel sacken noch tiefer als gewöhnlich, und er antwortet mit unverhohlenem Spott: “Das Denken überlassen Sie besser mir, Dirtiquanz, und alles andere ebenfalls, klar? Danke!”
Hendrikje hat sofort begriffen, daß Reinold irgend etwas verkehrt gemacht hat. Ebenso schnell erfaßt sie, daß die Enthüllung für Aberschwenz absolut keine Neuigkeit ist. Und als er ärgerlich knurrt: “Dieses Rindvieh!”, da war ihr einen Augenblick so, als ob sie ihm um den Hals fallen müßte.
Beim Großen Sirius, so kann man einen Menschen verkennen, denkt sie freudig, und wäre da nicht diese undefinierbare Scheu, die sie jedem Vorgesetzten gegenüber empfindet, würde sie ihn wohl wirklich umhalsen.
Aberschwenz entläßt sie mit der Bitte, noch heute eine Lösung des I-karosproblems vorzuschlagen, wenigstens einen Lösungsansatz. Das Ausmaß dieses Ansinnens wird ihr jedoch kaum bewußt, so sehr beschäftigt sie das überraschende Erlebnis eines ganz anderen Generalorganisators, der ihr gegenüber jemanden ein Rindvieh schimpfte, der doch nichts weiter als seine gesellschaftliche Pflicht tat…
Reinold weicht ihrem Blick aus, sitzt da mit hochroten Ohren und bearbeitet sein Terminal. Doch scheint es ihn innerlich dermaßen aufzublähen, daß es irgendwie heraus muß.
“Jetzt verachtest du mich, Henni, nicht wahr?” haucht er weinerlich, und unüberhörbar schwingt in seinen Worten die Hoffnung auf entschiedenen Widerspruch mit.
Hendrikje ist es unangenehm, darauf antworten zu müssen. Eigentlich wollte sie darüber nicht reden, doch jetzt merkt sie plötzlich, daß Reinolds offenkundige Hoffnung auf Verständnis so unberechtigt nicht ist. “Wenn man von dem, was man macht, nicht überzeugt ist, muß man sich wohl schämen”, sagt sie nachdenklich, “aber wohl weniger für das, was man tut, als vielmehr dafür, daß man es überhaupt macht, ohne dafür einstehen zu wollen…” Sie hat Goffs spöttisches Lächeln vor Augen, als sie ihm das erstemal ins Gesicht blickte. “Gestern morgen hätte ich dich sicher verachtet, Reinold. Gestern abend hätte ich dich vielleicht bewundert, heute früh bestimmt furchtbar gehaßt. Jetzt – jetzt tust du mir unsagbar leid, weil du an dir selbst zweifelst und keinen Ausweg findest…” Dirtiquanz starrt sie so blöd an, daß Hendrikje lachen muß. Aber sie empfindet tatsächlich echtes Mitleid für Reinold, und so versucht sie ein versöhnliches Angebot: “Entschuldige, Reinold, vielleicht kann ich dir helfen?”
“Mir kann keiner helfen”, er stöhnt gequält, “ich weiß
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