Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
nicht, wo mir der Kopf steht. Diese dämliche Jupitergeschichte, die Kennziffern sind so hoch angesetzt…”
Dirtiquanz beginnt zu erzählen, wohl froh, daß Thema wechseln zu können. Von der Jupitererkundung berichtet er, die nur mit ferngesteuerten Sonden erfolge, weil es wegen des mörderischen Drucks immer noch nicht möglich sei, mit bemannten Schiffen in die tiefen Schichten der Gashülle einzudringen. Einfach lächerlich! Da sei man nun dabei, Planeten in unendlich weit entfernten Systemen zu besiedeln, aber einen Blick unter die Fußmatte vor der Haustür zu werfen, das sei ein Ding der Unmöglichkeit, nur wegen ein paar Atmosphären Überdruck. Und wie ungeheuer personalintensiv diese Art der Erkundung sei und wie eintönig für die Erkunder, die nur an irgendwelchen Anzeigegeräten säßen und darüber wachten, daß irgendwelche Sollwerte eingehalten würden. Daß dauernd psychogrammatische Defekte aufträten und er, Dirtiquanz, die Nase voll habe von dieser Arbeit, daß endlich jemand ein Raumschiff erfinden solle, mit dem lebendige Menschen in die Jupiterhülle tauchen könnten, dann werde den Forschern das Forschen und ihm das Kaderorganisieren wieder Spaß machen. Vielleicht sollte er einfach mal hinfliegen und mit den Leuten reden, die hier doch nur als Kurven und Diagramme über seinen Terminalschirm zitterten.
Je stärker Dirtiquanz sich erregt, desto stabiler wird sein seelisches Gleichgewicht. Hendrikje vermerkt es mit Befremden und Erheiterung. Dann hört sie nur noch mit einem Ohr hin, denn dieser eine Satz vom “einfach mal hinfliegen” schwingt in ihr nach, vor allem wegen der letzten Worte, und sie versucht sich vorzustellen, wie wohl Goffs Psychogramm aussehen würde. Das erstemal keimt in ihr schwacher Zweifel an der Digitalisierbarkeit einer Person. Welche Kurve vermochte das über den Menschen Goff auszusagen, was ihr in den letzten vierundzwanzig Stunden Augen und Ohren, Nase und Fingerspitzen – na ja, eigentlich wohl eher der ganze Körper – über diesen Mann erzählten? An welchem Diagramm könnte sie dessen Widersprüchlichkeit ablesen, die ihr Verstand mehr erahnt als erkennt?
Erst als Reinold schweigt, wird ihr die tödliche Stille bewußt, in der alles Leben im Terminalsaal erstarrt.
Reinolds Nase wird plötzlich grauweiß wie saure Milch, allmählich entfärbt sich sein ganzes Gesicht, und daran erkennt Hendrikje, daß er heute kaum geschminkt ist, also wohl wieder verschlafen hat. Sein starrer Blick folgt dem einzigen Geräusch, das sich unheilverkündend nähert, und Hendrikje braucht sich gar nicht erst umzudrehen, sie sieht am ängstlichen Schillern seiner Augen, wessen Schritte das sind.
Vier kräftige junge Männer, in der Kombination des MOBS, gehen schweigend durch den Mittelgang. Sie lächeln freundlich und fast auch ein wenig gelangweilt; die Arme über der Brust verschränkt, nähern sie sich den beiden Männern, die Reinold denunziert hat.
Hendrikje schaut automatisch zu Ivara Sigmar hinüber, die von Dirtiquanz ebenfalls gemeldet wurde. Um die Frau aber kümmert sich keiner der Möpse. Meindolf und Sindig folgen den Leuten vom MOBS ohne Widerspruch. Sie grinsen sogar belustigt, als die Möpse sich in aller Form entschuldigen und um Verständnis bitten. Meindolf, ein hagerer Mittvierziger vom häufigen Phänotyp Sinus eins A, einer genetischen Komposition mit stark asiatischem Akzent, bittet seine beiden Begleiter, noch jemanden benachrichtigen zu dürfen, wogegen diese nichts einzuwenden haben. Mit verschmitztem Lächeln zieht er sein Univox aus dem Brustlatz des Schmeichelmoosoveralls und spricht einen Rufkode, dann meldet er einem gewissen Rikkitikkitavi, daß er vom MOBS vorgeladen worden sei.
Diese Nachricht scheint die Möpse nun doch zu beunruhigen, denn sie haben sichtlich Mühe, den gleichgültigen Gesichtsausdruck beizubehalten, und einer von ihnen starrt Meindolf mit einer Miene an, die Hendrikje mit gutem Willen als Unentschlossenheit interpretieren würde. Da sie aber alles andere als guten Willens ist, kommt sie zu dem Schluß, daß der Mops eigentlich recht blöd dreinschaut.
Noch einige Zeit später beschäftigt sie dieser Vorfall. Es will ihr scheinen, daß jener Rikkitikkitavi, dem Meindolf von der Vorladung Mitteilung machte, den Möpsen alles andere als unbekannt war, und irgendwie kommt auch ihr der Name einerseits merkwürdig vertraut, andererseits hingegen höchst ungewöhnlich vor.
Erst Reinolds verzweifeltes Keuchen holt sie in
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