Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Warmkraft, denn jeder Glump hat Warmkraft. Die Glumpe kann niemals kalt werden, ein einzelner Glump hingegen muß irgendwann in die Kälte gehen. Die Glumpe ist alles, und die Glumpe hat alles. Alles ist die Glumpe. Die Glumpe ist warm. Wärme ist alles.
Klugwarm hat unbewußt an Stellen aus dem Großen Gesang gedacht. Der Große Gesang ist aus seiner Kaltkraft gekommen. Das ist lange her. Die Glumpe liebt seinen Großen Gesang, er spendet Wärme.
Klugwarm zählt seine Schritte, während er überlegt und sich Fragen stellt. Roch kann das nicht, Roch kann immer nur einen Gedanken haben – seine Kaltkraft ist schwach. Klugwarm kann viele Gedanken zugleich haben, denn seine Kaltkraft ist sehr stark. Er hat den Schritten Namen gegeben, und so weiß er immer, wie weit er gelaufen ist. Die ersten Schritte tragen die Namen seiner sieben Finger, für die folgenden hat er sich Namen ausgedacht. Das war nicht so schwer, aber sich die Reihenfolge der Namen zu merken, das war schon schwerer. Damit es leichter wird, kam er auf den Gedanken, immer so vielen Schritten, wie er Finger besitzt, einen zusätzlichen Namen zu geben – und auf einmal wurde die Welt für ihn etwas, was man genau beschreiben kann, denn er kann immer sagen, welchen Namen der letzte Schritt hat, bevor er losgeht.
Oft schon hat Klugwarm gedacht, was wohl hinter den letzten Schritten ist, dort, wo die Welt zu Ende ist. Er hat schon Namen für die Schritte, die dahinter liegen, aber er kann diese Schritte nicht gehen, weil man nicht über das Ende der Welt gehen kann. Aber seine Kaltkraft kann es doch, und wenn es seine Gedanken können, warum können es dann nicht auch seine Füße?
Daran denkt Klugwarm gern. Seine Kaltkraft findet dann Worte und Bilder, für die es keine Dinge gibt, jedenfalls nicht solche Dinge, die man tasten kann. Ebensolche wie die Schritte hinter dem Ende der Welt. Als Klugwarm einmal daran dachte, daß es hinter jedem letzten Schritt noch weitere geben kann, immer wieder und wieder, und daß jeder dieser Schritte einen Namen braucht – da wurde ihm schwindlig, und seine Kaltkraft war auf einmal ganz schwach. Und dann dachte er, daß die Namen für die Schritte auch gut sind für anderes, für die Glumpe zum Beispiel. Oder für das Kaltkalt, von dem sie sich ernähren. Und nun ist es ganz leicht, so viel Kaltkalt zu holen, wie es Glumps gibt. Er muß nur so viel nehmen, bis das letzte Stück den Namen des letzten Glumps hat. Als Klugwarm dies merkte, machte es ihm viel Spaß, alle Dinge mit den Namen seiner Schritte zu bezeichnen. So kam Ordnung in seine Welt.
Schisch versteht diese Ordnung. Wenn er ihr seine Gedanken auf den Körper trommelt, zischt sie ihre Zeichen, die er immer besser versteht. Einigemal hat er schon versucht, ihr Mundtasten nachzuahmen, aber dabei hat er sich jedesmal gestoßen. Das Mundtasten geht nicht bei ihm, aber die Zeichen, die Schisch zischt, die sind eigentlich sogar besser als die getrommelten Fingerzeichen. Sie sind kalt, man versteht sie auch, ohne den Körper des anderen zu berühren, Klugwarm gibt sich große Mühe, Schischs Zeichen zu verstehen, denn Schischs Kaltkraft ist vielleicht so stark wie seine eigene, und wenn es mit der Kaltkraft ebenso geht wie mit der Warmkraft, dann wird die Kaltkraft der Glumpe sehr, sehr viel stärker, wenn sie beide ihre Gedanken gemeinsam gebrauchen können.
Manchmal hat Schisch ganz andere Gedanken zum selben Ding, dann fließt die Kaltkraft zwischen beiden hin und her und schwillt mächtig an, wird zu ganz neuen Gedanken. Das ist gut. Es kann aber auch geschehen, daß man die neuen Gedanken nicht benutzen kann, dann müssen sie neue Namen für die Dinge suchen.
Klugwarm spürt das Warmtasten der Glumpe schon ganz deutlich. Jetzt ist er in dem Teil der Welt, wo man nur in eine Richtung laufen kann, weil die Welt hier ganz schmal und flach ist, so daß man ihre Enden oben und an den Seiten zugleich berühren könnte, wenn man zwei Arme hätte. Roch kann das, Roch hat zwei Arme und zwei Hände. Dafür sind seine Finger so kurz, daß er mit ihnen nur ganz undeutlich trommeln kann.
Das Warmtasten sagt Klugwarm, daß die Glumpe ihn ungeduldig erwartet. Er spürt ihre Ungeduld ganz nah.
Auch Klugwarm sehnt sich nach der Wärme der Glumpe. Die Welt ist furchtbar kalt, ohne die Glumpe würde die Kälte ihn verschlingen. Aber gleich wird er sich mitten hinein wühlen in die behagliche Wärme. Und wenn sich die Glumpe wälzt, wird er in ihrer Mitte bleiben dürfen,
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