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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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ähnlich gekleidet wie er: mit einer über einen grauen pirhan-tumban und eine Weste gehängten groben Wolldecke. Auf dem Kopf saß ein brauner pakol, leicht schräg nach dem Vorbild des tadschikischen Helden Ahmad Shah Massoud, den die Tadschiken vornehmlich als den »Löwen von Panjshir« bezeichneten.
    Ich hatte Farid auf Vermittlung von Rahim Khan in Peshawar kennen gelernt. Durch Rahim Khan erfuhr ich auch, dass Farid erst neunundzwanzig war, obwohl er seiner grimmigen Miene und der tiefen Stirnfalten wegen gut und gern zwanzig Jahre älter aussah. In Mazar-e-Sharif zur Welt gekommen, war er im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach Jalalabad gezogen. Mit vierzehn schloss er sich, wie sein Vater auch, dem Djihad gegen die Shorawi an. Zwei Jahre lang kämpften sie im Panjshir-Tal, dann wurde sein Vater von einem Helikopter unter Beschuss genommen und getötet. Farid hatte zwei Frauen und fünf Kinder, die noch lebten. Von Rahim Khan erfuhr ich, dass seine beiden jüngsten Töchter vor wenigen Jahren vor den Toren Jalalabads von einer Landmine getötet worden waren, von derselben Mine, der auch seine Zehen und die drei Finger der linken Hand zum Opfer gefallen waren. Danach war er mit seinen Frauen und den Kindern nach Peshawar umgezogen.
    »Kontrolle«, knurrte Farid. Ich lehnte mich zurück, verschränkte die Arme über der Brust und vergaß für einen Moment meine Übelkeit. Grund zur Besorgnis gab es nicht. Die beiden pakistanischen Milizionäre kamen auf unseren schrottreifen Landcruiser zu, warfen einen flüchtigen Blick ins Innere und winkten uns weiter.
    Farids Name stand ganz oben auf der Liste, die Rahim Khan und ich zur Planung meiner Reise zusammengestellt hatten. Darüber hinaus war zur Erinnerung auf ihr vermerkt: Dollar in Kaldar und Afghani eintauschen, landesübliche Kleidung und einen pakol anschaffen - Dinge, die ich während meiner jungen Jahre in Afghanistan ironischerweise nie getragen hatte -, das Polaroidfoto von Hassan und Suhrab einstecken und, was vielleicht am wichtigsten war, einen künstlichen Bart besorgen, schwarz und bis auf die Brust herabreichend, ganz im Sinne der Scharia beziehungsweise im Sinne ihrer Taliban'schen Auslegung. Rahim Khan kannte einen Perückenmacher in Peshawar, der sich auf die Herstellung solcher Barte spezialisiert hatte. Nachgefragt wurden sie vor allem von Kriegsberichterstattern aus dem Westen.
    Rahim Khan hätte es lieber gesehen, wenn ich noch ein paar Tage länger geblieben wäre, um gründlicher planen zu können. Mir war es allerdings wichtig, so früh wie möglich aufzubrechen. Ich hatte Sorge, dass ich mir alles noch einmal anders überlegen würde. Womöglich hätte ich die Sache auf die lange Bank geschoben, in Frage gestellt, mir den Kopf zermartert und am Ende davon Abstand genommen. Ich fürchtete, dass ich, an mein angenehmes Leben in Amerika gewöhnt, aufstecken und es vorziehen würde, mich in den großen, breiten Fluss zurückzubegeben, um zu vergessen und all das, was ich in den letzten Tagen erfahren hatte, auf den Grund absinken zu lassen. Ich fürchtete, dass ich mich forttreiben lassen könnte von dem, was ich tun musste. Von Hassan. Von der Vergangenheit, die sich zurückgemeldet hatte. Und von dieser letzten Gelegenheit zur Versöhnung mit mir selbst. Also machte ich mich schleunigst auf den Weg. Soraya von meiner Rückkehr nach Afghanistan in Kenntnis zu setzen war ausgeschlossen. Hätte ich sie informiert, wäre sie mit dem nächsten Flugzeug nach Pakistan gekommen.
    Kaum hatten wir die Grenze passiert, zeigten sich allenthalben Bilder der Armut. Die kleinen Ortschaften entlang der Straße waren in erbärmlichem Zustand; Lehmhäuser verfielen, und manche Hütten bestanden lediglich aus vier Holzpfosten und zerfetzten Tüchern, die als Dach herhalten mussten. Vor den Hütten jagten Kinder, in Lumpen gekleidet, einem Fußball hinterher. Ein paar Kilometer weiter sah ich eine Hand voll Männer auf der Ruine eines alten sowjetischen Panzers hocken, mit Umhängen, deren Saum im Wind flatterte. Hinter ihnen trug eine Frau in brauner Burkha einen schweren Tonkrug auf der Schulter und ging auf holprigem Pfad einer Reihe ärmlicher Lehmhütten entgegen.
    »Seltsam«, sagte ich.
    »Was?«
    »Ich bin in meinem Heimatland und komme mir vor wie ein Tourist«, antwortete ich mit Blick auf eine kleine Herde ausgezehrter Ziegen. Farid lachte und schnippte seine Zigarette nach draußen. »Betrachtest du dieses Land immer noch als deine

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