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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Heimat?«
    »Ja, und das wird auch immer so sein«, antwortete ich in einem Ton, der nach Verteidigung klang, was mich selbst überraschte.
    »Nach zwanzig Jahren in Amerika?« Farid riss energisch das Lenkrad herum, um einem Schlagloch von der Größe und Tiefe eines Waschzubers auszuweichen.
    Ich nickte. »Ich bin in Afghanistan aufgewachsen.«
    Farid kicherte wieder.
    »Was soll das?«
    »Nichts für ungut«, murmelte er. »Antworte. Was soll das Gekichere?«
    Im Rückspiegel sah ich seine Augen aufblitzen. »Willst du's wirklich wissen?«, sagte er mit spöttischem Unterton. »Ich stelle mir vor: Wahrscheinlich wohnst du in einem großen ein- oder zweistöckigen Haus mit einem schönen Garten, den dein Gärtner mit Blumen und Obstbäumen bepflanzt hat. Das Ganze hübsch eingezäunt, versteht sich. Schon dein Vater hat einen amerikanischen Schlitten gefahren. Ihr hattet Dienstboten, wahrscheinlich Hazara, die das Haus geschmückt haben, wenn deine Eltern wieder mal eine ihrer schicken mehmanis feiern wollten, mit Freunden, die mit ihren Reisen durch Europa und Amerika geprahlt haben. Ich setze die Augen meines Erstgeborenen darauf, dass du hier und jetzt zum ersten Mal einen pakol trägst.« Grinsend zeigte er mir zwei Reihen frühzeitig faulender Zähne. »Stimmt's?«
    »Warum sagst du das?«
    »Du hast danach gefragt.« Er spuckte aus und deutete auf einen alten in Lumpen gekleideten Mann, der mit einem großen Sack voller Gras über einen Trampelpfad schlurfte. »Das ist das wahre Afghanistan, Aga Sahib. Das Afghanistan, wie ich es kenne. Du? Du bist hier immer nur Tourist gewesen. Du wusstest es nur nicht.«
    Rahim Khan hatte mich gewarnt: Von denen, die im Land geblieben waren und in den Kriegen gekämpft hatten, war für mich kein herzliches Willkommen zu erwarten. »Tut mir Leid, das mit deinem Vater«, sagte ich. »Auch das mit deinen Töchtern und mit deiner Hand.«
    »Dein Beileid bedeutet mir nichts«, sagte er kopfschüttelnd. »Warum bist du hergekommen? Um Babas Ländereien zu verkaufen? Das Geld einzusacken und schnell zur Mutter nach Amerika zurückzukehren?«
    »Meine Mutter starb bei meiner Geburt«, sagte ich.
    Er seufzte und steckte sich eine weitere Zigarette an. Ohne etwas zu sagen.
    »Fahr rechts ran.«
    »Was?«
    »Fahr rechts ran, verdammt noch mal!«, wiederholte ich. »Mir wird schlecht.« Kaum waren die Räder zum Stehen gekommen, stürzte ich nach draußen.
    Am späten Nachmittag hatten wir jenseits der kahlen, sonnenverbrannten Berghänge eine sehr viel grünere, kultiviertere Landschaft erreicht. Die Passstraße fiel hinter Landi Kotal, das Gebiet der Shinwari kreuzend, in Richtung Landi Khana ab. Bei Torkham waren wir nach Afghanistan eingereist. Kiefern säumten die Straße; es waren weniger als in meiner Erinnerung, und viele schienen verdorrt zu sein. Trotzdem war es gut, nach der anstrengenden Fahrt über den Khyber-Pass endlich wieder Bäume zu sehen. Wir näherten uns Jalalabad, wo ein Bruder Farids wohnte. Bei ihm würden wir die Nacht verbringen können.
    Die Sonne war noch nicht untergegangen, als wir Jalalabad erreichten, die Hauptstadt von Nangarhar, berühmt für ihr Obst und das milde Klima. Wir passierten die aus festem Stein gebauten Häuser in der Stadtmitte. Anders als in meiner Erinnerung gab es hier nur noch wenige Palmen zu sehen, und von etlichen Gebäuden waren nur frei stehende Mauern und Berge von Schutt übrig geblieben.
    Farid bog in eine enge, ungepflasterte Straße und parkte den Landcruiser neben einem trockenen Rinnstein. Ich stieg aus, reckte mich und atmete tief durch. Früher lag hier stets ein süßer Duft in der Luft, den der Wind von den bewässerten Zuckerrohrfeldern im Umkreis der Stadt herbeiwehte. Ich schloss die Augen und suchte nach diesem Duft, fand ihn aber nicht.
    »Gehen wir«, sagte Farid ungeduldig. Wir setzten uns in Bewegung, kamen an entlaubten Pappeln und einer Reihe eingefallener Lehmmauern vorbei. Farid führte mich zu einem flachen baufälligen Haus und klopfte an die Brettertür.
    Eine junge Frau machte auf. Sie trug einen weißen Schal um den Kopf gewickelt und hatte Augen so grün wie das Meer. Ihr Blick fiel zuerst auf mich. Sie erschrak. Doch als sie Farid sah, leuchteten ihre Augen auf. »Salaam alaykum, Kaka Farid!«
    »Salaam, Maryam jan«, grüßte Farid und schenkte ihr, was er mir den ganzen Tag vorenthalten hatte, ein freundliches Lächeln. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Die junge Frau trat zur Seite und

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