Drachenläufer
bist ein Feigling!«, rief ich. »Ein gottverdammter Feigling!«
Ich weiß nicht, wie oft ich ihn traf. Ich weiß nur, dass Hassan, als ich endlich vor Erschöpfung keuchend aufhörte, von oben bis unten rot beschmiert war, als hätte ein Exekutionskommando sämtliche Flinten auf ihn abgefeuert. Müde, erschöpft und frustriert sank ich in die Knie.
Dann hob Hassan doch einen Granatapfel auf. Kam auf mich zu. Brach ihn auf und zerdrückte ihn an seiner Stirn. »Da«, krächzte er, während ihm der rote Saft wie Blut über das Gesicht lief, »bist du jetzt zufrieden? Fühlst du dich jetzt besser?« Er drehte sich um und machte sich auf den Rückweg den Hügel hinunter.
Ich ließ meinen Tränen freien Lauf, schaukelte auf den Knien vor und zurück. »Was fange ich nur mit dir an, Hassan? Was fange ich nur mit dir an?« Aber als die Tränen getrocknet waren und ich den Hügel hinuntertrottete, da wusste ich die Antwort auf diese Frage.
Im Sommer des Jahres 1976, der Afghanistans vorletzter Sommer des Friedens und der Unabhängigkeit werden sollte, wurde ich dreizehn Jahre alt. Das Verhältnis zwischen Baba und mir war bereits wieder abgekühlt. Begonnen hatte es wohl mit meiner dummen Bemerkung über neue Dienstboten, die ich gemacht hatte, als wir die Tulpen pflanzten. Ich bedauerte, dass ich es gesagt hatte - bedauerte es wirklich aufrichtig -, aber ich glaube, selbst wenn es mir nicht über die Lippen gekommen wäre, hätte unser fröhliches kleines Zwischenspiel bald ein Ende gefunden. Vielleicht nicht ganz so rasch, aber es wäre auf jeden Fall irgendwann vorbei gewesen. Am Ende des Sommers hatte das Kratzen von Löffel und Gabel auf den Tellern die Unterhaltung am Abendbrottisch ersetzt, und nach dem Essen zog sich Baba nun wieder hinter die geschlossene Tür seines Arbeitszimmers zurück. Ich blätterte erneut in den Büchern von Hafis und Khayyam, kaute an meinen Fingernägeln und schrieb Geschichten. Die Geschichten stapelte ich unter meinem Bett. Ich bewahrte sie für den - unwahrscheinlichen - Fall auf, dass Baba mich irgendwann vielleicht doch noch einmal bitten würde, sie ihm vorzulesen.
Babas Motto in Bezug auf Partys lautete: Am besten, man lädt die ganze Welt ein, sonst ist es keine richtige Party. Ich weiß noch, wie ich mir eine Woche vor meiner Geburtstagsfeier die Gästeliste ansah und mindestens drei Viertel der vierhundert geladenen Gäste - abgesehen von all den Kakas und Khalas -, die mir Geschenke bringen und mir dazu gratulieren sollten, dass ich dreizehn Jahre alt geworden war, gar nicht kannte. Dann wurde mir klar, dass sie eigentlich gar nicht meinetwegen kamen. Es mochte wohl mein Geburtstag sein, aber ich wusste, wer der eigentliche Star bei dieser Sache war.
Seit Tagen wimmelte das Haus von Leuten. Da war Salahuddin, der Metzger, der mit einem Kalb und zwei Schafen im Schlepptau auftauchte und sich weigerte, für die drei irgendeine Bezahlung anzunehmen. Er schlachtete die Tiere eigenhändig bei der Pappel im Garten. Ich weiß noch, wie er behauptete, dass das Blut gut sei für den Baum, als das Gras um die Pappel vom Rot durchtränkt wurde. Männer, die ich nicht kannte, kletterten mit aufgerollten Lichterketten und meterlangen Verlängerungsschnuren in die Eichen hinauf. Andere bauten Dutzende von Tischen im Garten auf und legten Decken auf jeden einzelnen. Am Abend vor der großen Feier kam Babas Freund Del-Mohammad, dem ein Kebab-Haus in Shar-e-Nau gehörte, mit seinen Gewürzsäcken zu uns ins Haus. Wie schon der Metzger weigerte sich auch Del-Mohammad - oder Dello, wie Baba ihn nannte -, irgendeine Bezahlung für seine Dienste anzunehmen. Er sagte, Baba habe schon genug für seine Familie getan. Es war Rahim Khan, der mir, während Dello das Fleisch marinierte, zuflüsterte, dass Baba Dello Geld gegeben hatte, damit der sein Restaurant eröffnen konnte. Baba hatte sich geweigert, sich das Geld zurückzahlen zu lassen, bis Dello eines Tages in einem Mercedes die Auffahrt heraufgekommen war und Baba erklärt hatte, dass er erst dann wieder fahren würde, wenn Baba sein Geld angenommen hätte.
Ich nehme an, dass man meine Geburtstagsparty wohl in vielerlei Hinsicht - oder zumindest unter dem Gesichtspunkt aller für eine Party wichtigen Kriterien - als einen großen Erfolg bezeichnen könnte. Noch nie war unser Haus so voll gewesen. Gäste mit gefüllten Gläsern in der Hand unterhielten sich auf den Fluren, rauchten auf der Treppe ihre Zigaretten, lehnten an Türrahmen. Sie
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