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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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einen Gott um seine Güte, von dem ich nicht einmal sicher war, dass er überhaupt existierte. Auf einmal beneidete ich den Mullah, beneidete ihn um seinen Glauben und seine Gewissheit.
    Zwei Wochen vergingen, und niemand rief an. Und als ich mich beim Krankenhaus meldete, erklärte man mir, dass ihnen keine Überweisung vorliege. Ob ich sie wirklich abgegeben hätte? Man werde mich spätestens in drei Wochen zurückrufen. Ich machte ihnen die Hölle heiß und handelte die drei Wochen auf eine für die Computertomographie herunter und zwei für den Lungenspezialisten.
    Der Besuch beim Lungenspezialisten verlief gut, bis Baba Dr. Schneider fragte, woher er ursprünglich stamme. Russland, erwiderte Dr. Schneider. Baba drehte beinahe durch.
    »Entschuldigen Sie uns, Herr Doktor«, sagte ich und zerrte meinen Vater zur Seite. Dr. Schneider lächelte und trat mit dem Stethoskop in der Hand zurück.
    »Baba, ich habe Dr. Schneiders biografische Daten im Wartezimmer gelesen. Er ist in Michigan geboren. Michigan! Er ist Amerikaner, ein ganzes Stück mehr Amerikaner, als du und ich jemals sein werden.«
    »Es ist mir egal, wo er geboren wurde, er ist Roussi«, sagte Baba und zog dabei eine Grimasse, als handelte es sich um ein Schimpfwort. »Seine Eltern waren Roussi, seine Großeltern waren Roussi. Ich schwöre beim Antlitz deiner Mutter, dass ich ihm den Arm brechen werde, wenn er versucht, mich anzufassen.«
    »Dr. Schneiders Eltern sind vor den Shorawi geflohen, willst du das denn nicht verstehen? Sie sind geflohen!«
    Aber Baba wollte nichts davon hören. Manchmal glaubte ich, das Einzige, was er genauso liebte wie seine verstorbene Frau, war Afghanistan, sein dahingeschiedenes Land. Ich hätte vor Verzweiflung laut schreien können. Stattdessen seufzte ich und wandte mich Dr. Schneider zu. »Tut mir Leid, Herr Doktor. Das wird nicht funktionieren.«
    Der nächste Lungenspezialist, ein Dr. Amani, war Iraner und fand Babas Zustimmung. Dr. Amani, ein leise sprechender Mann mit einem schiefen Schnurrbart und grauer Haarmähne, erklärte uns, dass er sich die Ergebnisse der Computertomographie angesehen habe und einen Eingriff vornehmen müsse, der sich Bronchoskopie nannte, um ein Stück der Lungenmasse für eine pathologische Untersuchung zu entnehmen. Der Eingriff sollte in der folgenden Woche stattfinden. Ich dankte ihm, als ich Baba aus dem Sprechzimmer führte, und dachte mit Schrecken an eine weitere Woche bangen Wartens. Wenn doch nur Soraya bei mir gewesen wäre!
    Wie sich herausstellte, hatte der Krebs, wie der Teufel, viele Namen. Babas Krebs nannte sich Haferzellkarzinom. Fortgeschrittenes Stadium. Inoperabel. Baba bat Dr. Amani um eine Prognose. Dr. Amani biss sich auf die Unterlippe, benutzte das Wort ernst. »Die Chemotherapie ist natürlich eine Möglichkeit«, sagte er. »Aber das wäre nur palliativ.«
    »Was bedeutet das?«, fragte Baba.
    Dr. Amani seufzte. »Es bedeutet, dass es nichts am Ergebnis ändern, es nur hinauszögern würde.«
    »Das ist eine klare Antwort, Dr. Amani. Ich danke Ihnen dafür«, sagte Baba. »Aber eine Chemotherapie kommt für mich nicht in Frage.« Er hatte denselben entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht wie an dem Tag, als er den Stapel Essensmarken auf Mrs. Dobbins' Schreibtisch geworfen hatte.
    »Aber Baba ...«
    »Wage es nicht, meine Ansichten in der Öffentlichkeit in Frage zu stellen, Amir. Niemals. Für wen hältst du dich?«
    Der Regen, von dem General Taheri auf dem Trödelmarkt gesprochen hatte, war ein paar Wochen zu spät dran, aber als wir aus Dr. Amanis Praxis traten, spritzten vorbeifahrende Wagen schmutziges Wasser auf die Gehsteige. Baba zündete sich eine Zigarette an. Er rauchte den ganzen Weg bis zu unserer Wohnung. Als er den Schlüssel in die Tür zum Treppenhaus steckte, sagte ich: »Ich wünschte, du würdest noch einmal über die Chemotherapie nachdenken, Baba.«
    Baba steckte die Schlüssel ein und zog mich aus dem Regen unter die gestreifte Markise des Gebäudes. Er drückte mir die Knöchel der Hand, die die Zigarette hielt, gegen die Brust. »Bas! Ich habe meine Entscheidung getroffen.«
    »Und was ist mit mir, Baba? Was soll ich tun?«, sagte ich, und die Tränen stiegen mir in die Augen.
    Ein angewiderter Ausdruck erschien auf seinem regennassen Gesicht. Es war der gleiche Ausdruck, der immer auf seinem Gesicht aufgetaucht war, wenn ich als Kind hinfiel, mir die Knie aufschlug und zu weinen begann. Es war das Weinen, das ihn damals hervorgelockt

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