Drachenland: Roman (German Edition)
erteilen, ohne sich vorher mit ihm abzusprechen.
Tenniel und seine kleine Gruppe hatten das Hauptlager noch nicht erreicht, als die Windschiffe auftauchten. Die Männer wussten nicht, was Jondalrun vorhatte, und versteckten sich in aller Eile an der anderen Seite der Hügel mit Nebel als fast einziger Deckung. Sie duckten sich, als das Windschiff über sie hinwegflog. Es schien tiefer herunterzukommen. Der Windsegler konnte sie zweifellos sehen. Tenniel packte seine Axt fester und lauschte dem angstvollen Gejammer der geschwächten Männer um ihn herum. Er war für sie verantwortlich. Er musste etwas unternehmen. Warum nur hatte Jondalrun noch nicht zum Angriff aufgerufen?
Er hob die Axt. »Einer muss den Anfang machen«, flüsterte er. Dann schleuderte er sie mit ganzer Kraft auf das Windschiff über ihm.
Die Männer in seiner Nähe sahen, wie die Waffe durch den Nebel wirbelte, das Focksegel durchschlug und aus ihrer Sicht verschwand. Einen langen Augenblick war kein Ton zu hören. Der dunkle Schatten schwebte lautlos weiter. Dann schoss plötzlich vom Deck eine orangefarbene Flamme empor.
Mehrere Männer schrien auf, überzeugt, dass die Simbalesen Feuer herunterschleuderten. Dann hob sich der Nebel, und sie sahen, dass die Flammen die Segel ergriffen hatten. Tenniel atmete erleichtert auf. Das Schiff stand in Flammen! Er hatte den ersten Schlag geführt, und der Schlag war erfolgreich gewesen. Endlich würde er ein Held sein!
»Thalen!«, schrie Kiorte auf, als er sah, wie das vordere Ballonsegel von Thalens Schiff sich aufblähte und zusammenfiel. Ein Nebelstreifen nahm ihm für einen Augenblick die Sicht, und als es wieder aufklarte, sah er Flammen am Segel hochklettern und über die Seile auf andere Segel überspringen.
Ein Pfeil, ein Speer oder eine Axt – irgendetwas – hatte ein Segel aufgeschlitzt, und der zusammenfallende Stoff war in Berührung mit dem Sindril-Brenner gekommen. Das Windschiff verlor langsam an Höhe.
Unten war der Lärm von Truppen zu hören, die durchs Tal gestürzt kamen. Solange das Schiff sich noch in der Luft hielt, konnte ein anderes Windschiff Thalen retten. Aber selbst ein Absturz würde Kiorte nicht von seinem Bruder fernhalten, auch tausend Fandoraner nicht – oder ein Drache. Nicht, solange Thalen noch lebte.
Falkenwind blickte ergrimmt auf die orangefarbene Spur, die im fernen Nebel verblasste. Thalen war womöglich verletzt – oder tot. Sie mussten das Schiff bergen.
Er hatte auf einen kampflosen Sieg über die Bauern gehofft, aber die Fandoraner waren offensichtlich entschlossen, es zu einem Krieg kommen zu lassen. Der erste Angriff war von ihnen ausgegangen, ohne jede Warnung.
Falkenwind zügelte sein Pferd und blickte auf die Männer und Frauen auf der Lichtung. »Ruft die Hauptleute zusammen!«, rief er Vora zu. »Wir werden Korporal Thalen retten.«
Von den Hügeln starrten die Soldaten Fandoras auf den Feind, der sich durch das Tal auf sie zu bewegte. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis die simbalesische Armee die Hügel erreichte.
»Wie sollen wir uns verteidigen?«, sagte Lagow zornig. »Sie haben berittene Soldaten! Das ist deine Schuld, Jondalrun. Man hätte Tenniel nie allein lassen dürfen mit diesen Männern!«
Jondalrun entgegnete: »Ruhe! Du musst uns helfen.«
»Helfen? Das hier ist reiner Wahnsinn! Wir sollten uns im Schutz des Nebels zurückziehen, solange es geht!«
Jondalrun schüttelte den Kopf. »Nein! Wir müssen ihnen zeigen, dass wir uns weder vor ihren Windschiffen noch vor ihrer Armee fürchten.«
»Um den Preis unseres Lebens?«
»Nein!«, sagte Jondalrun. Er packte Dayon am Arm. »Gib es weiter: Die Männer sollen in Deckung bleiben, wie befohlen.« Er blickte Lagow wieder an. »Wenn sie uns töten wollen, müssen die Sim uns erst einmal finden. Wir können sie nicht mehr überraschen, aber wir können in Deckung bleiben.«
Seine Worte klangen vernünftig, aber sie kamen zu spät.
Vom Gipfel des Hügels hörten sie den Befehl »Zu den Waffen!«, und dann stürzte plötzlich eine in Panik geratene Abteilung der fandoranischen Armee nach vorn.
Mit den beiden Kindern auf den Fersen lief Amsel durch einen Bogengang des kleinen Parks. Der Junge und das Mädchen wurden zu einem Problem. Obwohl sie ihn immer noch für ein Kind hielten, wuchs ihr Misstrauen. Willow, der Junge, fragte Amsel immer wieder, wo er wohne. Noch war es Amsel gelungen, einer Antwort auszuweichen. Das Mädchen dagegen erwies sich als gute
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