Drachenland: Roman (German Edition)
Augen gegen die Nachmittagssonne ab und blickte den schimmernden Weg hinunter. Große orangefarbene Beeren von den Sträuchern über ihm hatten Flecken auf dem Marmor hinterlassen. Amsel hob eine reif aussehende Beere auf: Goldbeeren, dachte er, aber die Farbe ist ungewöhnlich. Er probierte eine der Beeren; sie war saftig und voller Kerne. »Die werden mich eine Weile über Wasser halten«, murmelte er. »Zumindest bis ich zum Palast komme.«
Er ging weiter und aß dabei. Am Ende des Marmorweges stand er vor einer gewundenen Steintreppe, die auf einen Hügel führte. Langsam stieg er die steilen Stufen hoch. Sie waren von dichten Sträuchern gesäumt, die so stark dufteten, dass ihm schwindlig wurde. Er wollte sich gerade etwas ausruhen, als von oben Schritte erklangen. Wegen der Windungen der Treppe und des dichten Buschwerks konnte er nichts erkennen, aber das Klirren und Rasseln einer Rüstung war deutlich zu hören.
»O nein!«, rief er aus, »Wegwächter!« Er sah sich nach einem Versteck um, doch die Treppe führte, für jeden sichtbar, zum Marmorweg hinunter, und der lief den Fluss entlang. Dorthin aber wollte er nicht zurückkehren.
»Ich weiß nicht, warum sich alle so über diesen Spion aufregen!«, ertönte eine Stimme von weiter oben. »Diese Bauern sind doch ungefährlich. Was soll dieser Dummkopf schon anrichten?«
»Die Prinzessin will ihn um jeden Preis haben«, sagte ein anderer Mann. »Ich habe das Gefühl, er ist mehr wert als der Finderlohn für ihn.«
»Egal«, sagte der Erste wieder, »immer noch besser, als Falkenwind in das Tal zu folgen. Ich reiß mich nicht um eine Schlacht, selbst wenn es um die Fandoraner geht.«
Amsel lauschte angespannt. Wenn diese Männer recht hatten, hatte der Kampf vielleicht noch nicht begonnen.
»Lass uns hier entlanggehen«, erklang die erste Stimme. »Wir sollten uns am Fluss umsehen.«
Sie kamen um die Biegung, zwei hochgewachsene Soldaten mit Schwertern an der Seite, mit glänzenden Helmen und Halsstücken. Sie sahen Amsel im selben Augenblick wie er sie – und blieben vor Überraschung bewegungslos stehen.
Amsel tat das Einzige, was ihm einfiel, um sie zu verwirren. Er lief direkt auf sie zu. Es ist eine Belohnung auf mich ausgesetzt, dachte er. Sie werden mir nichts tun – hoffentlich!
Er drückte sich an dem ersten Soldaten vorbei, aber inzwischen hatte der andere sein Schwert gezogen – es war fast so lang wie Amsel. Einen Moment später ertönte auch hinter Amsel Geklirr.
»Sei friedlich«, sagte der Mann vor ihm, »oder du wirst noch kleiner – um einen Kopf.«
Amsel nickte. »So könnte man es ausdrücken«, sagte er. »Ich bin ein einsichtiger Mensch.«
Der Soldat brummte: »Schon besser«, behielt aber sein Schwert in der Hand. Amsel spürte einen heftigen Stoß im Rücken. »Setz dich in Bewegung!«, sagte der andere. »Die Prinzessin möchte dich sehen.«
Es ging die Treppe hinauf, Amsel zwischen den beiden Wachen. Dies mag seine Vorteile haben, dachte Amsel, zumindest habe ich eine Begleitung zum Palast.
Der Mann vor ihm hastete über die letzte Treppenstufe und lief auf einen von großen Bäumen beschatteten Weg zu.
»Wenn ich erst in Sichtweite des Palastes bin«, murmelte Amsel vor sich hin, »brauch ich nur zu entwischen und diesen Falkenwind finden.« Aber beim Anblick der riesigen Gestalt vor ihm bekam er seine Zweifel.
Der Weg führte sie an kleinen Holzhäusern und armseligen Baumwohnungen vorbei zu einer breiten Allee, die mit Läden und Marktständen gesäumt war. Die Bäume waren mit Fahnen und bunten Wimpeln geschmückt, doch die meisten Stände lagen jetzt still da. Über die Straße, von Baum zu Baum, spannte sich ein kompliziertes Netzwerk aus Tansel, an dem Laternen und Fahnen sanft im Wind pendelten.
Amsel musterte die kreuz und quer gespannten Seile; dann fiel sein Blick plötzlich auf etwas in der Ferne, teilweise von Bäumen verdeckt: das Zentrum von Oberwald mit dem gewaltigen Baum in der Mitte, dem Palast!
Er hatte eine Idee. Er blickte noch einmal hinauf: Verschlungen, wie sie waren, schienen die Seile nur an zwei Hauptstellen befestigt zu sein. Amsel runzelte die Stirn und ließ seine Augen wieder wandern. Dort! Er hatte die eine Stelle entdeckt! An einer dicken Eiche, links vor ihnen.
Es galt keine Zeit zu verlieren. Er krümmte sich plötzlich, umfasste seine Knie und legte den Kopf zwischen die Arme – machte sich so klein wie möglich. Die Wache hinter ihm begriff nicht sofort, was geschehen war,
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