Drachenland: Roman (German Edition)
zerstörtes Schiff auf den Boden zustürzten. Das Letzte, was er sah, war der Frostdrache, wie er sich dem anderen Windschiff zuwandte.
Das zweite Windschiff hatte eine günstigere Ausgangsstellung; der Drache musste einen Bogen fliegen, um sich ihm zu nähern. Während er das tat, wandte er dem Schiff seine Seite zu, und der Segler des Schiffes hob seine Armbrust an und schoss zweimal.
Er sah, dass ein Pfeil getroffen hatte; er bohrte sich in die Lende des Ungeheuers. Ein weiterer Pfeil drang durch die dünne Flügeldecke. Der Drache zischte vor Schmerzen, dann ging er tiefer hinunter und flog unter dem Schiff hindurch. Er ließ sich bis tief über die simbalesischen Truppen fallen, dann stieg er wieder und flog rasch auf das Zentrum des Waldes zu. Dabei schrie er vor Schmerzen erneut auf und versetzte all jene vereinzelten Soldaten und Bürger in Schrecken, die zwischen der simbalesischen Front und dem Herzen von Oberwald unterwegs waren.
Am Rand des Waldes sprang Thalen auf ein Pferd, um schnell zu dem abgestürzten Schiff zu gelangen. Er hatte kaum Hoffnung, dass der Segler noch am Leben war. Das Schiff war nicht heruntergeschwebt, sondern auf den Boden geschleudert worden wie ein Kinderspielzeug. »Das Biest ist bestimmt mit den Fandoranern verbündet!«, rief General Vora. »Sie haben ihm befohlen, die Windschiffe anzugreifen, und jetzt nähert es sich Oberwald.«
»Es sah so aus, als versuche es, das Windschiff davonzutragen«, sagte Falkenwind, »so wie mein Falke es mit einem Kaninchen macht.«
»Zweifellos zum gleichen Zweck!«, rief Kiorte. »Ich fordere das Recht, den Drachen zu verfolgen!«
Während er sprach, halfen die Soldaten dem zweiten Windschiff bei der Landung.
In der Nähe standen zwei Soldaten Wache bei dem einzigen fandoranischen Gefangenen. Er war ein mürrischer, stämmiger Mann, dieser Fandoraner, ein Schmied aus Borgen. Sie hatten ihn mit Lederriemen gefesselt, seine Kraft aber unterschätzt. Der Fandoraner hatte die Riemen um seine Handgelenke geprüft und wusste, dass er sie sprengen konnte, wenn die Zeit kam. Die gegenwärtige Verwirrung um ihn herum schien günstig – er blickte zum Windschiff.
26
Ephrion sah Amsel an, der sich dankbar auf die blaue Seidencouch gesetzt hatte. »Wenn das, was du mir alles erzählt hast, wahr ist«, flüsterte der bärtige Mann, »dann müssen wir diesem Jondalrun und Falkenwind sofort eine Nachricht zukommen lassen!«
Amsels Stimme zitterte. »Endlich. Ich habe jemanden gefunden, der helfen kann! König Ephrion, dies wird das Ende des Krieges bedeuten!«
Der alte Mann schüttelte erbittert den Kopf. »Nein, ich fürchte, es wird nur ein Schritt sein.«
»Ich habe Euch die Wahrheit gesagt!«, protestierte Amsel. »Euer Kind ist nicht von meinem Volk angegriffen worden. Fandora ist aus demselben Grund wie Simbala in den Krieg gezogen! Offensichtlich hat jemand die Kinder beider Länder angegriffen. Ich verstehe es auch noch nicht, aber die Tatsachen sollten wenigstens Fandoraner und Simbalesen davon abhalten, einander gegenseitig zu ermorden!«
»Ach, wenn die Dinge so einfach wären, Amsel, hätte es keinen Krieg gegeben. Ich werde Falkenwind eine Botschaft schicken, aber ich fürchte, die Antwort auf die Ermordung der Kinder ist nicht in der Welt, die wir kennen, zu finden.«
Seine Worte verwirrten Amsel; er neigte den Kopf zur Seite wie ein kleines Kind.
»Komm mit«, sagte Ephrion, »ich werde es dir erklären.«
Amsel folgte Ephrion zum Rosenholztisch an der anderen Seite des Gemachs. Ephrion nahm ein großes, braunes, mit Edelsteinen besetztes Buch. »Der Kampf unterliegt nicht mehr unserer Kontrolle«, sagte er, »und hier ist der Grund.«
Amsel nahm das Buch und öffnete es auf der Seite, die mit einem gelben Band markiert war. Er blinzelte und bedauerte, dass seine Lesebrille unbrauchbar geworden war. Zu seiner Überraschung sah er das große Bild eines Geschöpfes mit zwei Flügeln, einem grimmigen Gesicht und gewaltigen schwarzen Krallen.
»Ein Drache«, sagte Amsel.
»Nein, kein eigentlicher Drache«, erwiderte Ephrion, »sondern ein Frostdrache.«
»Ein Frostdrache? Ich habe viele Legenden gelesen, aber noch nie von einem Frostdrachen gehört.«
»Das wundert mich nicht. Fandora ist ein junges Land, Amsel, im Vergleich zu Simbala, doch das Südland, woher diese Legenden stammen, ist noch viel älter.«
»Das mag zutreffen«, sagte Amsel, »aber eine Legende ist doch sicherlich nicht der Grund für diesen
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