Drachenland: Roman (German Edition)
die Simbalesen recht hatten und es tatsächlich ein Drache gewesen war, der Johan getötet hatte, konnten sie dann etwas anderes tun, als dafür zu sorgen, dass sie nie wieder angriffen? War das nicht der eigentliche Grund für den Krieg gewesen?
Dayon wurde von tiefer Trauer ergriffen. Wenn die Simbalesen nichts mit der Ermordung der Kinder zu tun hatten, wenn sie nichts im Schilde führten gegen Fandora, dann war der ganze Krieg um nichts geführt worden. Sie hatten angegriffen, ohne eine Ahnung von der Wahrheit zu haben. Es war genauso, wie er es von Anfang an empfunden hatte. Sie hätten nie losziehen sollen.
Kiorte lauschte der Stille mit wachsender Ungeduld. Schließlich wandte er sich an Falkenwind und sagte: »Diese Männer sind unsere Gefangenen! Wir brauchen sie nicht um Hilfe zu bitten! Wir haben das Recht, ihre Hilfe zu fordern!«
Jondalrun blickte zu ihm auf und brüllte: »Ihr fordert überhaupt nichts! Es gibt nichts, was Ihr tun könntet, damit wir uns mit den Mördern unserer Kinder verbünden!«
»Streitet nicht!«, sagte Falkenwind. »Hier wird es keinen Zwang geben, Prinz Kiorte. Die Aufgabe, die vor uns liegt, erfordert die freiwillige Teilnahme jedes Einzelnen. Wenn die Fandoraner ihre Kinder nicht vor diesen Ungeheuern schützen wollen, werden wir die Aufgabe allein übernehmen.«
Jondalrun machte ein finsteres Gesicht. »Wagt Ihr zu behaupten, wir seien Feiglinge?«
»Nein«, sagte Falkenwind, »aber es gibt keinen Grund, unsere Bitte zu ignorieren, es sei denn, die Fandoraner fürchten sich vor den Drachen.«
»Jeder Dummkopf ist weise genug, sich vor Drachen zu fürchten«, erwiderte Jondalrun, »und außerdem haben wir nicht den Wunsch, uns auf eine langwierige und ergebnislose Mission einzulassen. Meine Männer sind müde. Beweist mir, dass es wirklich Grund zu der Annahme gibt, dass ein Drache meinen Sohn getötet hat, und ich versichere Euch, Simbalas Ziele werden die unseren sein, ob es Euch gefällt oder nicht!«
Falkenwind unterdrückte ein Lächeln. »Heute Vormittag wird eine Ratsversammlung stattfinden«, sagte er. »Ihr und die anderen Ältesten sollen teilnehmen.« Er blickte Jondalrun noch einmal an. Der Fandoraner passte gut zu Jibron in seiner missmutigsten Laune.
Dann wandte er sich zu Kiorte. »Kommt«, sagte er. »Wir werden alles Weitere draußen besprechen.« Die Wache wurde angewiesen, den Fandoranern freien Zugang zu den Zellen ihrer Landsleute zu gewähren.
Im äußeren Tunnel nahm Kiorte seine Kritik an Falkenwinds Plänen wieder auf. »Das schmeckt wieder nach Euren üblichen ungewöhnlichen Methoden. Wozu brauchen wir fandoranische Soldaten?«
»Urteilt nicht voreilig«, antwortete Falkenwind. »Erinnert Ihr Euch nicht mehr, was während des Kampfes geschah? Der Drache kam herunter, um die Fandoraner anzugreifen, doch dann wandte er sich ab, als hätte er vor irgendetwas Angst. Wir haben angenommen, dass der Drache auf ihrer Seite war, aber jetzt wissen wir, dass das nicht stimmt.«
»Ja«, erwiderte Kiorte widerstrebend. »Aber warum hat er sich zurückgezogen? Die Fandoraner wissen kaum, wie man kämpft – wie sollten sie einen Drachen vertreiben, ohne auch nur ein Schwert zu heben?«
Falkenwind lächelte etwas mühsam. »Ich weiß es nicht, Kiorte. Aber es wäre einen Versuch wert, das herauszufinden, meint Ihr nicht?«
Kiorte nickte nachdenklich. »Es gefällt mir nicht«, sagte er, »aber ich denke, Ihr könntet recht haben.«
Der verletzte Flügel des Letzten Drachen hatte zur Folge, dass er unsicher flog, und das Tageslicht war schon lange erloschen, als er und Amsel endlich das breite Flussbecken am Rand des Landes der Frostdrachen erreichten. Die eisigen Winde fegten durch Amsels zerrissene Kleider, und er war hungrig und müde. Mehrere Male hatte er befürchtet, dass die Luftströmungen ihn von seinem Platz herunterreißen würden, aber er hatte sich fest angeklammert und gebetet.
Endlich entdeckte er den schlanken hohen Gipfel, der sich in der Ferne gegen den einsamen Mond abhob. »Dort müssen wir hin!«, rief er. »Unter dem Gipfel liegen die Höhlen der Frostdrachen.«
Der Drache ging langsam tiefer hinunter. »Ich sehe sie nicht«, brüllte er. »Ich sehe nicht einen Einzigen!«
»Warte!«, rief Amsel. »Du musst näher an die Höhlen in der Nähe des Gipfels heranfliegen. Dort leben sie.«
Der Drache flog über dem Fluss weiter nach Norden, in den aufkommenden Nebel hinein. »Hier wird es wärmer«, brummte er. »Das Eis hat
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