Drachenland: Roman (German Edition)
sich noch nicht ausgebreitet.«
»Das ist die heiße Quelle«, sagte Amsel. »Das kochend heiße Wasser kommt unter dem hohen Gipfel aus dem Boden.« Er starrte mit klopfendem Herzen durch den Dunst. Er rechnete jeden Augenblick damit, dass die Frostdrachen aus den Höhlen hervorschwärmten wie Fledermäuse. Doch er sah nur den in Spiralen aufsteigenden Nebel. Er blickte wieder zum Gipfel und wurde von Furcht ergriffen.
Was war, wenn die Frostdrachen schon fort waren, bereits auf dem Weg nach Simbala oder Fandora?
Das konnte nicht sein!
»Wir müssen zu den Höhlen hinunterfliegen«, schrie er in den heulenden Wind hinein.
Der Drache ging noch tiefer hinunter, als sie sich den grauen Klippen näherten. »Der Klang meiner Stimme wird sie herbeirufen«, sagte er, »wenn überhaupt noch welche hier sind!« Dann schüttelte er seinen massigen Kopf ein wenig, als wolle er Amsel daran erinnern, wie leicht er ihn abwerfen konnte. »Wenn dies wieder ein Menschentrick ist …«, murmelte er.
»Es ist kein Trick!«, rief Amsel. »Ich mache mir Sorgen! Die Frostdrachen scheinen verschwunden zu sein!«
Der Drache neigte den Hals zu den dunklen Höhlen und brüllte. Das ohrenbetäubende Geräusch warf Amsel fast von seinem hohen Sitz, und während das Echo im Wind unterging, drang aus der Dunkelheit unter ihnen ein gedämpfter Schrei.
Es war der Schrei eines Frostdrachen!
Ein zweiter Schrei folgte ihm und noch einer. Zuerst hielt Amsel diese Schreie für das Echo der ersten, aber dann sah er plötzlich drei Frostdrachen aus einer großen Höhle hervorstürzen. Der Anblick ließ ihn schaudern; er erinnerte ihn an das Entsetzen, das er vor so kurzer Zeit empfunden hatte.
Der Letzte Drache beobachtete die Frostdrachen, wie sie hoch über den Höhlen verwirrt und suchend ihre Kreise drehten. Als der Nebel sich vorübergehend hob, brüllte er wieder. Es war ein getragener, trauriger Ton, ein Schrei aus einem anderen Zeitalter. Jetzt sahen die Frostdrachen den Feuerdrachen. Kreischend vor Entsetzen, zogen sie sich zurück, als der Drache durch den Nebel langsam auf sie zuglitt. Einen Augenblick lang schwebten sie in der Nähe der Felsgipfel, dann ließen sie sich, kreischend und heulend vor Furcht, wieder zu den Höhlen hinab.
Aus dem mühelosen Gleiten des Drachen wurde ein gezielter Sturzflug, als er die Verfolgung aufnahm. Amsel, um sein Leben fürchtend, klammerte sich mit aller Kraft fest. In der Aufregung der Jagd schien der alte Drache vergessen zu haben, dass Amsel immer noch auf seinem Kopf saß!
»Langsamer!«, schrie Amsel. »Oder willst du mich umbringen?« Seine Worte gingen im Wind unter. Er schloss die Augen und umklammerte das Horn mit beiden Armen, als der Drache zu dem Felssims am Rand der Höhlen hinunterstieß.
Endlich landete er und brüllte laut in den Höhleneingang hinein, wohin die Frostdrachen geflohen waren. Nur ein Echo des Drachenrufs kam als Antwort zurück.
»Sie fürchten sich«, sagte der Letzte Drache. »Sie schämen sich wegen etwas, was sie getan haben.«
Der Drache trat vor. Der Gestank, der ihnen aus der Höhle entgegenkam, nahm Amsel fast den Atem. Dann hörte er wieder einen Schrei, tiefer in der Höhle. Amsel schloss die Augen; er konnte die Vorstellung eines weiteren Angriffs nicht ertragen. Seine letzte Begegnung mit den Frostdrachen war ein Alptraum gewesen, der ihm für sein ganzes Leben reichte. Aber sein einziger Schutz gegen diese Wesen und gegen die Kälte war jetzt der Feuerdrache; also musste Amsel bei ihm bleiben.
Der Letzte Drache folgte langsam dem Tunnel. Das Geräusch seines Atems kehrte aus den dunklen Schatten leise zurück. Amsel lauschte. Er meinte, ein anderes Geräusch zu vernehmen, ein Keuchen wie von einem verwundeten Tier. Aber bei der Dunkelheit war nichts auszumachen.
Als Amsel dann mit dem Drachen um eine Biegung kam, erschien es ihm, als sehe er etwas Schwarzes auf dem Boden der Höhle liegen. Es bewegte sich.
Der Letzte Drache ging näher heran. Es war ein Frostdrache, und er winselte vor Furcht! Amsel sah, dass sein zerschmetterter Flügel über einen kleinen Felsblock ausgebreitet war. Das Geschöpf war ernstlich verletzt; Amsel wusste nicht, wodurch, aber sie brauchten sich zumindest nicht vor ihm in Acht zu nehmen.
Der Feuerdrache sprach mit leiser, polternder Stimme zu dem Frostdrachen, beruhigend, aber gebieterisch. Der Frostdrache schrie seine Antwort in kurzen atemlosen Tönen. Dann aber brüllte der Letzte Drache, so laut, dass Amsel sich
Weitere Kostenlose Bücher