Drachenland: Roman (German Edition)
die Bilder in der Kugel zu erwecken«, sagte sie. »Die Drachenperle entzieht sich meiner Kontrolle, aber ich will versuchen, mit meinen Gedanken die Bilder hervorzurufen, die Ihr sehen solltet.« Sie konzentrierte sich auf die Kugel, und langsam gerieten die Nebel darin in Bewegung.
Es gab viele Laute des Erstaunens, als die Regenbogenwolken in der Kugel erst verblassten, dann grau wurden, als die Kugel sich plötzlich zu weiten schien und die scharfen Kanten von Klippen darin sichtbar wurden.
Ceria war versunken im Traum der Perle. »Dies ist das Land, aus dem die Geschöpfe kamen«, erklärte König Ephrion. Innerhalb der Drachenperle kamen die Klippen näher, als würden sie mit den Augen eines Frostdrachen gesehen. Drei Flügelpaare bewegten sich durch den grauen Himmel und verschwanden in einer Höhle. Tamark schauderte, als er in der Kugel einen Frostdrachen sah, der sich gegen einen schwarzen Felsblock lehnte, mit offensichtlich gebrochenem Flügel. Er dachte an das Skelett des Seewurms, das sie in Kap Bage aus dem Wasser gezogen hatten. Er hatte etwas für Fandora tun wollen, etwas Bedeutendes wie einst sein Großvater. Er hatte sich nicht träumen lassen, dass dies seine Bestimmung sein könnte – teilzunehmen an einem Angriff auf ein fernes Land, in dem Frostdrachen lebten.
Was würde Lagow sagen, wenn er noch lebte? Er hatte sich so heftig gegen den Krieg ausgesprochen; die Vorstellung, Drachen gegenüberzutreten, wäre ihm zweifellos als Wahnsinn erschienen. Oder nicht? Konnte jetzt noch irgendjemand die Tatsache bestreiten, dass diese Geschöpfe in Fandora und Simbala Kinder getötet hatten? Er hatte den Frostdrachen mit eigenen Augen gesehen.
Das Bild in der Kugel verblasste. Die junge Frau, die die Drachenperle gehalten hatte, öffnete die Augen, und Tamark sah Falkenwind an ihre Seite eilen.
Ephrion blickte die vier Fandoraner an. »Unsere Truppen werden nach Norden ziehen, ob Ihr Euch anschließt oder nicht«, sagte er. »Doch wenn Euch die Sicherheit Eurer Kinder am Herzen liegt, solltet Ihr mit uns kommen.«
Tamark holte tief Luft. Jondalrun würde diese Worte nicht widerspruchslos schlucken. Und wie erwartet, trat Jondalrun zornig vor. »Wagt es nicht, uns zu sagen, wie wir unsere Kinder beschützen sollen!«, rief er. »Ihretwegen haben wir diesen Krieg geführt!«
Der Saal hallte wider von Stimmen, die Jondalrun Dummheit und Respektlosigkeit vorwarfen. Ephrion beobachtete den Ältesten aus Tamberly. Er erinnerte sich, dass Amsel ihm erzählt hatte, wie Jondalrun ihn beschuldigt hatte, ein Spion zu sein. Es würde sinnlos sein, Amsel jetzt zu erwähnen; er musste versuchen, Jondalrun zu besänftigen, um seine Unterstützung zu gewinnen.
»Ihr habt völlig recht«, sagte Ephrion leise zur Überraschung der Familie und auch Jondalruns. »Wir haben nicht das Recht, Euch Befehle zu geben. Ihr seid zur Verteidigung Eures Landes weit gereist; Ihr solltet nun tun, was Ihr für richtig haltet.« Er beobachtete, wie Jondalrun auf seine Worte reagierte. Jondalrun hatte sich streiten wollen; jetzt wusste er nicht, was er sagen sollte.
»Vater«, flüsterte Dayon, »wir müssen uns mit ihnen zusammentun! Es waren ganz eindeutig die Frostdrachen, die Johan getötet haben! Ich habe nicht den Wunsch, schon wieder ein anderes Land zu überfallen, aber wenn dieser Drachenstein die Wahrheit zeigt, können wir sie besiegen!«
Jondalrun blickte seinen Sohn an. Sie waren gekommen, um die Mörder Johans der Gerechtigkeit auszuliefern. Daran hatte sich nichts geändert. Was immer mit diesem Zauberstein los war – die Herausforderung, die er erkennen ließ, war eindeutig!
Jondalrun musterte die Simbalesen, die den Saal füllten. Sie hatten versucht, seine Männer zu töten, sie mit Windschiffen zurück zur Straße von Balomar zu treiben. Doch jetzt wollten sie sich mit Fandora zusammentun. Er verstand diese Menschen und ihr Land nicht mit ihren Baumhäusern und den Frauen, die als Soldaten dienten, aber er konnte nicht nach Fandora zurückkehren, wenn er im Innersten wusste, dass es sich immer noch in Gefahr befand.
Es gab noch eine letzte Schlacht, die sie schlagen mussten, eine letzte Fahrt, die sie machen mussten, damit er in Frieden an Johan denken konnte. Die Kinder Fandoras sollten nicht länger bedroht werden.
Jondalrun blickte Falkenwind und Ephrion entschlossen an. »Wir gehen gemeinsam nach Norden«, sagte er. Dann drehte er sich in väterlicher Zuneigung zu Dayon um.
Eine Stunde später
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