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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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Jelrich aß mit Genuss das erste Stück Seezunge seit Jahren. Während er die zarten weißen Gräten freilegte, erfuhr er von einem anderen Ältesten, dass der Fisch ein Geschenk von Kap Bage an Tamberly war. Lagow hörte das gern. Tamark aus Kap Bage war ein großzügiger und erfahrener Ältester, und die Geste war seiner Stellung angemessen. Als Lagow den Fischer unter einer leuchtend roten Fahne entdeckte, eilte er hinüber, um ihm zu danken.
    Es dauerte nicht lange, bis er mit Erstaunen die Veränderung bemerkte, die seit ihrer letzten Begegnung mit Tamark vor sich gegangen war. Der Fischer war kurz angebunden und trübsinnig und bedachte das ausgelassene Treiben mit zynischen Bemerkungen. Zuerst hielt Lagow das für die Wirkung des Weins, aber als dann Jondalruns Name erwähnt wurde, machte sich Tamarks Verstand wieder bemerkbar.
    »Ich finde, Tod sollte nicht gleichbedeutend mit Gerechtigkeit sein. Gibt es irgendeinen Grund für uns, Lagow, unsere jungen Leute in den Kampf gegen Zauberer zu schicken? Wenn Jondalrun denkt, die Sim seien für unsere Tragödien verantwortlich – warum schickt er dann nicht einen Kurier nach Simbala, wie es unser Brauch mit dem Südland ist?«
    Lagow nickte. »Ich verstehe dich, Tamark, aber Simbala ist nicht das Südland. Kein Fandoraner hat Simbala je betreten, und es scheint offensichtlich, dass die Sim die Schuld tragen. Jondalrun ist der Meinung, ein Kurier würde den Überraschungseffekt verderben.«
    »Überraschungseffekt? Wenn wir nicht einmal wissen, wie sie in Wirklichkeit sind?« Tamark hob seinen Bierkrug und zog den Schaum am Rand mit dem Finger nach. »Überraschung allein ist ohne jeden Wert. Ein winziger Himmelsfisch kann einen Telharna überraschen, aber der Telharna wird ihn trotzdem fressen. Überraschung ohne Wissen bedeutet« – der Fischer nahm mit der Fingerspitze ein wenig Schaum hoch und blies ihn zu Lagow – »nasse Luft.«
    Der jüngste Älteste, Tenniel aus Borgen, war gerade mit seiner zweiten Putenkeule beschäftigt, als sich eine schwere Hand auf seine linke Schulter legte. Er blickte auf und sah überrascht Jondalruns Gesicht. Er wischte sich schnell die fettige Hand ab und streckte sie dem Ältesten entgegen. »Eine Ehre, Euch kennenzulernen!«, sagte er. »Seid Ihr nicht derjenige, der gegen ein simbalesisches Windschiff gekämpft hat, um zu versuchen, Euren Sohn zu retten?«
    Jondalrun starrte ihn an, dann schnaubte er verächtlich. »So«, sagte er schroff, »so werden also Legenden geboren.« Er musterte den verwirrten Tenniel. »Du bist sehr jung für die Schärpe eines Ältesten.«
    »Ich bin achtundzwanzig«, verteidigte Tenniel sich.
    Jondalrun schüttelte den mächtigen grauen Kopf. »Erstaunlich. Ich würde gern einmal deine Heimatstadt besuchen. Zweifellos stehen Babys in den Schmieden und Bauern in Windeln hinter dem Pflug.« Bevor Tenniel protestieren konnte, fuhr er fort: »Was deine Frage betrifft: Lass dir die Geschichte erzählen, wie sie sich wirklich zugetragen hat.« Dann erklärte er in wenigen Worten, was geschehen war. Als er zum Ende kam, zitterte seine Stimme vor Erregung.
    Er tat Tenniel leid. Tenniel wunderte sich auch, dass der boshafte Amsel immer noch in seinem Baumhaus wohnte. »Warum sind die Leute nicht mit Fackeln und Stöcken zu ihm gegangen und haben ihn vor Gericht gebracht?«, fragte er. »Ich finde, wir sollten uns sofort auf den Weg machen und …«
    »Diese Dinge werden nach den Gesetzen Fandoras entschieden!«, sagte Jondalrun scharf. Dann spürte er, wie unaufrichtig dies war, und fügte hinzu: »Ich habe es schon selbst versucht, aber zu dem Zeitpunkt war ich wahnsinnig vor Kummer. Wir sind keine gewissenlosen Gesetzesbrecher wie die Sim. Wir werden die Dinge ordnungsgemäß erledigen!«
    »Wie Ihr meint«, stimmte Tenniel zu, aber insgeheim wünschte er sich, diesen Amsel einmal zu treffen.
     
    Amsel hatte beschlossen, den Spindeliner Wald an diesem Abend zu verlassen und sich eine Zeit lang in die große, trockene Höhle zurückzuziehen, die er als Rastort für längere Unternehmungen eingerichtet hatte. Die Geschichte von Johans Tod würde sich sicher verzerrt herumsprechen, und vielleicht plante man sogar, gegen Amsel vorzugehen. Er musste jetzt über alles nachdenken.
    Dass Johan tot sein sollte, schien immer noch unfassbar. Amsel dachte an ihre erste Begegnung, in der Nähe des Waldrandes, am Ufer des kleines Baches, der an seinem Haus vorbeifloss. Johan hatte mit einer Schildkröte gespielt und

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