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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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schmaler Junge mit einem leicht deformierten Arm, der nutzlos an seiner Seite hinunterhing.
    »Was für eine Versammlung?«, fragte Amsel. Das Treffen der Ältesten hatte doch längst stattgefunden.
    »Bei den ›Treppen‹«, sagte das Mädchen. »Alle gehen hin. Es ist eine große Versammlung, die größte, die es jemals gab.«
    Amsel zwinkerte erstaunt mit den Augen. Eine Ratsversammlung war einberufen worden! Er konnte sich an eine andere erinnern, wegen der Überschwemmungsopfer, vor Jahren. Nach seinen Schriftrollen über die Entwicklung Fandoras hatte es in der Geschichte des Landes nur fünf Ratsversammlungen gegeben.
    Es konnte nicht allein um ihn gehen. Was aber war der Grund? Vielleicht hatte es überhaupt nichts mit ihm zu tun. Aber Amsel bezweifelte das; er erinnerte sich deutlich an Jondalruns Drohungen und Beschuldigungen und an seinen abschließenden Racheschwur.
    Amsel hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht.
    »Wann soll die Versammlung sein?«, hörte er sich fragen. Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne, und aus der Ferne kam die Antwort des Mädchens: »In drei Tagen, bei Sonnenaufgang. Werdet Ihr kommen?«
    Amsel zwinkerte mit den Augen und warf den Kopf zurück, wie um ihn klar zu bekommen. »Nun«, sagte er, »ich glaube nicht, dass ich willkommen wäre.« Dann fühlte er einen Windstoß über die Hügel fegen. »Es wird kühl, Kinder. Ihr geht jetzt besser nach Hause.«
    Die drei Kinder drehten sich um und liefen über die flechtenbedeckten Felsen fort in Richtung Tamberly. Amsel blickte ihnen nach. Dann schaute er zu den Hügeln, wo die »Treppen des Sommers« warteten. »Nein, ich bin keineswegs willkommen«, murmelte er. »Aber ich denke, ich muss hingehen.«
    Es war dunkel, viel zu dunkel für den Morgen, aber eine Wolkenbank vor der Sonne kündigte ein Unwetter an. Der Wegwächter saß mit dem Rücken zur Tür der Graywood-Schenke. Es war früh, viel zu früh, um schon zu trinken, aber mit seinem guten Auge sah er zu, wie der Roséwein in seinem Glas zur Neige ging.
    Es war zu dunkel für den Morgen, es war zu früh, um zu trinken, er war zu intelligent, um ein Wegwächter zu sein, doch alle drei Dinge trafen zu. Durch das Fenster der Taverne sah er, wie die Fandoraner zu viert oder fünft vorbeimarschierten. Es war Zeit für die Ratsversammlung, und die Bewohner von Tamberly befanden sich auf dem Weg zu dem Ereignis. Viele hatten Decken und Lederumhänge dabei, um sich gegen den Regen zu schützen. Sie würden zweifellos auf den sich windenden Treppen des Hochspitzpasses lagern, um die Entscheidung der Ältesten abzuwarten.
    Der Wegwächter lächelte. Die Fandoraner waren gute Menschen mit einem Gefühl für Gerechtigkeit. Er kam aus dem Südland und war das Opfer von weniger anständigen Verhaltensweisen. Er war nach Fandora geflüchtet, nachdem sein Handelsunternehmen und sein linkes Auge einer Bande von Dieben zum Opfer gefallen waren. Nicht in der Lage, seine Schulden zu bezahlen, war er nach Norden gereist, bis er in Fandora eine Stelle als Wegwächter fand. Es war eine angemessene Tätigkeit für einen Außenseiter. Seine Aufgabe war es, durchgebrannte junge Burschen und Frauen aufzuspüren, die das harte Leben in Fandora satt hatten, oder kleine Diebe, die hin und wieder die Bauern und Kaufleute Fandoras belästigten. Obwohl der Wegwächter einer der wenigen Ausländer war, die im Land wohnten, war er beliebt und geachtet. Seine Erfahrungen im Südland waren bei seiner neuen Tätigkeit von hohem Wert, und seine Größe und breiten Schultern machten die Werbung neuer Kunden leichter, als er erwartet hatte. Er blieb für sich, sparte seine Einnahmen und erkundete in seiner Freizeit die Landschaft.
    Es gab etwa dreißig Orte in Fandora, dessen natürliche Grenze im Norden und Osten von etwa fünfzig Meilen Küste gebildet wurde. Der Wegwächter hatte etwa die Hälfte der Orte gesehen und viele Übereinstimmungen festgestellt. Doch abgesehen von der Ratsversammlung, waren alle verhältnismäßig autonom, mit einer Verwaltung, die sich im Allgemeinen auf die örtlichen Verhältnisse beschränkte. Abseits gelegene Bauernhöfe und Siedlungen erkannten die Gesetze der nächsten Stadt an. Streitfragen zwischen aneinandergrenzenden Gebieten wurden gewöhnlich von Ältesten geregelt. Es war ein einfaches System, verglichen mit dem komplizierten Regierungssystem des Südlands, einfach – aber ausreichend.
    Der Wegwächter erhob sich und wandte sich zur Tür der Schenke. Jondalruns

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