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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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sie auf den Rücken gedreht.
    »Willst du das alte Schnappmaul essen?«, fragte Amsel Johan damals, und Johan, durch das Auftauchen des Einsiedlers überrascht und erschreckt, schüttelte nur den Kopf. »Dann solltest du aber wissen«, fügte Amsel freundlich hinzu, »dass das Tier an der Sonne austrocknet und stirbt, wenn du es lange so liegen lässt. Für Nahrung zu töten ist entschuldbar, zum Spaß zu töten nicht.«
    Sehr zur Überraschung des Erfinders erwiderte Johan: »Das leuchtet mir ein«, und ließ die Schildkröte ins Wasser zurück. Dies war der Anfang einer Freundschaft. Amsel bemerkte, dass Johan ein aufgeweckter Bursche war, wissensdurstig und jederzeit zum Lachen bereit. Als er ihn besser kennenlernte, hielt er sich mit seinen Ratschlägen öfter zurück, denn Johan gehörte zu den seltenen Menschen, die beachten, was andere sagen, und manchmal sogar Ratschläge annehmen. Da wusste Amsel, dass er vorsichtig sein musste.
    Offensichtlich war er nicht vorsichtig genug gewesen. Seine Schuld war überwältigend, weil er in Johan ein Interesse für Dinge erregt hatte, die über das tägliche Einerlei im Leben eines Bauern hinausgingen, ohne die Verantwortung für mögliche Folgen zu übernehmen. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, den Horizont des Jungen zu erweitern – er wusste es nicht. Andere Menschen hatten ihn immer durcheinandergebracht und verwirrt; er hatte nie gewusst, was er zu ihnen sagen sollte. Jetzt war das Kind, das ihm vertraut hatte, tot.
    Amsel packte eine kleine Tasche und machte sich auf den Weg zur Höhle. Er überquerte die Mesa und kletterte hinauf in die Toldenarhügel. Irgendwann musste er eine Pause einlegen, um wieder zu Atem zu kommen und sich auszuruhen. Zwischen diesen Rissen und Spalten Bergziege zu spielen war nicht mehr so einfach wie früher. Er hätte ja nichts dagegen, älter zu werden, dachte er ein wenig kläglich, wenn er dabei auch wenigstens etwas klüger würde.
    Er war im Begriff, weiterzuklettern, als er ganz nahe einen Hauch flüsternder Stimmen vernahm und dann das Poltern von Steinen. Er spürte, wie ihm plötzlich kalt wurde. Was war jetzt besser – den Leuten gegenüberzutreten, wer es auch sein mochte, oder fortzulaufen und sich auf seine sichere Ortskenntnis zu verlassen? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Hinter einem Felsblock ertönte ein plötzliches Scharren von Schritten, und Amsel sprang mit klopfendem Herzen auf, um seinen Angreifern gegenüberzutreten.
    Drei kleine Kinder standen neben dem Felsen und starrten ihn an. Er erkannte sie; es waren die Freunde Johans, die er einmal kennengelernt hatte. Sie waren auf Johans Aufforderung bis zum verrückten Einsiedler mitgekommen, anfänglich vor Angst zitternd. Die hatten sie bald vergessen; Amsel hatte ihnen Zuckerwerk und Apfelmost angeboten und ihnen seine Erfindungen gezeigt, und sie hatten versprochen wiederzukommen. Das hatten sie nie getan, zu seiner Erleichterung. Seine Experimente und Forschungsarbeiten wären zu einem raschen Ende gekommen, wenn er den ganzen Tag Gastgeber spielte.
    Er nickte ihnen zu, an ihre Namen erinnerte er sich nicht.
    »Was führt euch hierher?«, fragte er.
    »Wir haben Berühr-den-Stein auf dem Hügel da gespielt«, sagte das größte der Kinder, ein stämmiger braunhaariger Junge. »Wir haben Euch gesehen.« Er sprach furchtsam, mit weit geöffneten Augen und einer Spur von Kummer im Gesicht, und Amsel dachte: Kein Zuckerwerk und Apfelmost wird sie veranlassen, mich noch zu mögen.
    »Mach schon, frag ihn«, sagte eines der beiden anderen Kinder, ein kleines Mädchen mit schriller Stimme. »Du hast gesagt, du tust es.«
    Der stämmige Junge blickte weg und schüttelte den Kopf.
    »Was wolltet ihr mich fragen?«, erkundigte sich Amsel freundlich. »Ist es wegen Johan?«
    Das Kind blickte ihm immer noch nicht in die Augen.
    »Es war nicht meine Absicht. Es war ein Unfall.«
    »Aber es ist passiert«, sagte das Mädchen. »Und jetzt ist Johan tot. Was tut Ihr jetzt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Amsel einfach. »Ehrlich, ich weiß es nicht.« Er hielt inne. »Ich denke, ich sollte … mit ein paar Leuten sprechen.«
    »Mit was für Leuten?«, fragte das Mädchen.
    »Ich weiß es noch nicht genau. Aber ich habe das Gefühl, einer der Hauptgründe, warum dies geschehen konnte, war, dass einige Leute – ich selbst, Johan, Jondalrun – nicht genug miteinander gesprochen haben.«
    »Geht Ihr zur Versammlung?«, fragte das dritte Kind plötzlich. Es war ein

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