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Drachenland: Roman (German Edition)

Drachenland: Roman (German Edition)

Titel: Drachenland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Reaves
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zu sehr ähnelt.«
    Auf diese Bemerkung entgegnete der junge Mann nichts. Die beiden gingen schweigend weiter hinunter, auf ein gedämpftes Licht am Fuß der Treppe zu.
    Falkenwind, der jüngere Mann, war groß und hager. Seine Augen, schwarz wie ein sternenloser Himmel, stachen aus seinem blassen Gesicht hervor. Er war der Sohn eines Bergarbeiters, und in seinen dreiunddreißig Jahren hatte er schon Armut wie Überfluss kennengelernt. Er ging mit geraden Schultern und hoch erhobenem Kopf. Es war die Haltung eines Helden, und nur wenige kannten das bescheidene Herz hinter der Legende, zu der er geworden war. Es gab Geschichten über ihn und seinen Mut, und es gab auch Geheimnisse, denn er war in fernen Ländern Träumen nachgejagt, an die sich die meisten nur aus ihrer Kindheit erinnern konnten. Er hatte eine tiefe Stimme, die Vertrauen in seinen Freunden und Unruhe in seinen Gegnern erweckte. Und Unruhe gab es derzeit viel in der königlichen Familie. Denn Falkenwind war ein Mann aus dem Volk und zum neuen Monarchen von Simbala gewählt.
    Altkönig Ephrion, der Mann mit den weißen Haaren, hatte eine leise Stimme und war achtzig Jahre alt. Sein unsicherer Gang verriet die Folgen eines schwächenden Schlaganfalls, seine Augen aber ließen einen Mann erkennen, der kaum etwas – oder gar nichts – von der Intelligenz und dem Einfühlungsvermögen eingebüßt hatte, die ihm die Liebe Simbalas eingetragen hatten. Als erster Monarch seit Jahrhunderten hatte er sich außerhalb der königlichen Familie nach einem Nachfolger für die Regierung Simbalas umgesehen. Seine Wahl war auf Falkenwind gefallen.
    Jetzt blickte er Falkenwind liebevoll an. Er dachte an damals, als er die Mitternachtsaugen des jungen Mannes zum ersten Mal gesehen hatte, und erinnerte sich an das Gefühl, das in ihm aufgestiegen war. In Falkenwind sah er die Zukunft Simbalas: ein Mann, dessen Liebe zum Leben und zu den Menschen, dessen Sinn für Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit das Land hinaustragen konnte über die Probleme der Kaufleute, die Armut der Rayaner, die Unzufriedenheit der Leute aus Nordwelden und die Anmaßung der königlichen Familie – hinüber in eine noch schönere Epoche, als die vierzig Jahre seiner eigenen Amtszeit es gewesen waren.
    Er hatte gehofft, dass der Widerstand gegen Falkenwind einer neuen Begeisterung weichen würde. Seine Schwester, Lady Morgengrau, hatte Falkenwind als einzige aus der ganzen königlichen Familie unterstützt, und zwar rückhaltlos.
    Ephrion war auf das Volk angewiesen gewesen, um die Anerkennung Falkenwinds durchzusetzen, und Falkenwinds allgemeine Beliebtheit hatte tatsächlich den »Kreis« überstimmt. Aber es gab immer noch zu viele Ränke gegen den jungen Mann.
    Ephrion sah das Fenster am Fuß der hohen und engen Treppe. Wie er lächelte auch Falkenwind. Der alte Mann war entzückt über die Art, wie der düstere Gesichtsausdruck des Jüngeren sich völlig veränderte. Die Leute sollten ihn häufiger lächeln sehen, dachte er. Es würde jenen, die meine Entscheidung infrage stellen, helfen, sie besser zu verstehen.
    Als sie das Fenster erreichten, durchschnitt ein Schrei die Stille, und mit lautem Flügelgeflatter kam der Falke herein und ließ sich auf Falkenwinds Schulter nieder. Der junge Monarch richtete sich auf, deutete aber durch nichts an, dass das Gewicht des Vogels ihn störte.
    Ephrion zog die Augenbrauen hoch. »Unheimlich. Wieder einmal hat er dich gefunden.«
    Falkenwind antwortete nicht gleich. Er zog ein Getreidekorn aus einer Tasche in seinem Umhang und gab es dem Falken. Der Vogel nahm es mit wachen und unbewegten Augen entgegen.
    »Wir bewegen uns in Kreisen, König Ephrion.«
    Ephrion fasste Falkenwind am Arm. »Werd nicht anmaßend!«
    Falkenwind lächelte. »Der Falke und ich bewegen uns in Kreisen. Wir bewegen uns auf einem Weg, der uns dorthin zurückbringt, wo wir anfingen.«
    Ephrion nickte. Ob dies bedeutete, dass Falkenwind eines Tages den Thron verlassen und zum Bergwerk zurückkehren würde, wusste er nicht. Manchmal konnte der junge Mann einen zum Verzweifeln bringen. Ephrion trat vor und spürte den festen Boden eines Treppenabsatzes unter den Füßen. Falkenwind, der ihm folgte, blickte auf die Mauer vor ihnen.
    »Hier?«, fragte er Ephrion.
    »Ja. Taste die Schwelle aus Temholz mit der Hand ab. Du müsstest eine tiefe Kerbe spüren. Meliphon, der Architekt dieser Geheimgänge, hat sie so entworfen, dass sich nur Eingeweihte zurechtfinden. Wenn du die Kerbe

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