Drachenland: Roman (German Edition)
Wasser entzündet, nicht gelöscht!« Kein Wunder, dass das Schiff in die Luft geschossen war wie ein von einer Biene gestochener Hengst. Nur weil das Deck so schräg lag, dass das meiste Gas außerhalb der Gaskanäle hochstieg, hielt das Ankerseil noch. Sonst wäre das Windschiff schon außer Sicht, mit zerplatzten Segeln – ein kostspieliger Verlust, von dem kleinen Mann ganz zu schweigen.
Kiorte schob die in hellen Flammen stehenden Edelsteine mit einem Schürhaken auseinander; an der Luft erloschen sie schnell. Dann kletterte er ins Takelwerk und zog an den Seilen, die die Abzugsschlitze in den Ballonsegeln öffneten. Die Segel entleerten sich langsam. Er kehrte an Deck zurück, durchschnitt das Ankerseil und hielt das sinkende Windschiff mit einer langen Stange von den Ästen fern. Unten zogen Thalen und die anderen an den Seilen, und langsam landete das Windschiff wieder an seinem Liegeplatz.
Der Palastangestellte kletterte verlegen aus dem Boot und stolperte auf den Wald zu; er hielt sich den Magen und murmelte so etwas wie »Inspektion abgeschlossen«. Die Windsegler blickten ihm lachend oder auch angewidert nach.
Kiorte sprang über die Reling auf den Boden. Wie jedes Mal, wenn er ein Windschiff verließ, verspürte er Bedauern. Mit dem Wind und den Wolken eins zu sein, ungehindert in den Lüften zu schweben, über den höchsten Bäumen, sogar über Bergen – das war für ihn das Schönste im Leben. Er blickte dem kleinen Palastangestellten erheitert nach: Er hatte eine Gelegenheit gehabt, wie sie kaum jemandem außer den Brüdern des Windes geboten wurde – zu fliegen, wenn auch nur für einen Augenblick. Mit Thalen ging Kiorte zu der Kaserne, während mehrere Windsegler ihn noch zu der mutigen Bergung beglückwünschten.
»Wer hat die Inspektion angeordnet?«, fragte Kiorte, sobald sie auf dem Weg allein waren.
»Altkönig Ephrion«, erwiderte sein Bruder etwas ungeduldig. »Vielleicht ist doch etwas Wahres an den Gerüchten über seinen Kräfteverfall. Oder vielleicht sollten wir Falkenwind Vorwürfe machen, dass er ihm die Aufsicht über die Flotte Simbalas anvertraut hat. Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie es der Nordküstenflotte unter seinen Inspektoren ergehen wird.«
Sie betraten die Kaserne, ein kuppelförmiges Gebäude in vier Abteilungen, mit Rundfenstern aus Horn. Die Brüder gingen auf ein großes Fass zu. Es war mit Kalasaft gefüllt, da Wein Windseglern im Dienst nicht erlaubt war. »Ich vertraue König Falkenwind nicht, wie du weißt«, sagte Kiorte, »aber ich finde es anerkennenswert, dass er Ephrion mit Aufgaben betraut – dieser angesehene Mann würde sonst einfach verkümmern.«
Thalen ließ Saft in einen Becher aus Holz laufen. »Ich bin überrascht, dass du Falkenwind den Titel König zubilligst, Bruder.« Er setzte sich auf eine Bank und zuckte die Achseln. »Ich verstehe, dass Ephrion Falkenwind regelrecht adoptiert hat, da Königin Jeune kinderlos starb. Aber einen Mann wie Falkenwind für den Palast zu wählen, einen Bergarbeiter nichtköniglichen Bluts, kommt mir vor wie die Verzweiflungstat eines Monarchen ohne rechtmäßigen Erben.«
»Verzweiflungstat? Vielleicht«, sagte Kiorte. »Doch sogar ich gebe zu, dass der Vergleich zwischen Falkenwind und meiner Frau als möglicher Thronfolgerin zugunsten Falkenwinds ausfällt. Aber was bedeutet das schon? Falkenwind ist eben bei aller Erfahrung ein Außenseiter in unserem Kreis und darum nachlässig bei seinen Ernennungen. Ich frage mich, ob er etwa die Absicht hat, den Palast mit Ausländern und Bürgerlichen zu füllen. Er hat ja schon damit angefangen.«
»Aha!«, sagte Thalen gutmütig. »Jetzt nimmt die Wolke an deinem Himmel Gestalt an!«
»Keineswegs. Ich habe nichts gegen die Rayaner als Menschen, aber sie haben keine Ahnung von den Schwierigkeiten und Nuancen des Regierens. Aus diesem Grund halte ich es für einen großen Fehler Falkenwinds, dass er Ceria zu einem seiner Ratgeber gemacht hat.«
»Sie soll ja nicht nur seine Ratgeberin sein …«
»Ja – und wenn das stimmt, werden aus ihren geflüsterten Vorschlägen womöglich noch Gesetze – und was für welche!«
»Ich weiß«, sagte Thalen und stellte seinen Becher ab.
»Das solltest du auch. Ich habe dir die schrecklichen Möglichkeiten oft genug ausgemalt. Wenn Falkenwind auf sie hört, könnten wir in Zukunft durchaus Frauen unter den Brüdern des Windes haben, eine unerträgliche Vorstellung! Keine Frau ist stark oder schnell genug, um ein
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