Drachenland: Roman (German Edition)
Menschen in Fandora haben Angst, Tamark. Sie wissen nicht, was ein Krieg bedeutet. Ich würde immer noch gern versuchen, sie zu überzeugen.«
Der Fischer überraschte Lagow mit einem tiefen Lachen. »Sieh dich um! In Kap Bage wimmelt es von ›Soldaten‹! Es ist ihr großes Abenteuer! Eine Reise in unbekannte Länder! Eine Begegnung mit Zauberern! In jedem Mann dort steckt ein Junge, der heraus möchte! Glaubst du etwa, dass sie ein bisschen Vernunft jetzt noch zurückhält?«
Lagow runzelte die Stirn. »Vernunft vielleicht nicht, aber ich hoffe, dass Hunger und Ungeduld den Zweck erfüllen werden.«
Der Fischer lächelte bitter. »Die Straße von Balomar wird es schaffen«, sagte er.
Amsel saß in seiner kleinen unterirdischen Zelle und überdachte seine Lage. Offensichtlich hatten die Leute, die ihn befragt hatten, nicht die Absicht, ihn freizulassen.
Amsel erinnerte sich, dass der Baron von einem Mann namens Falkenwind gesprochen hatte, der wohl eine hohe Stellung in der simbalesischen Hierarchie einnahm. Vielleicht konnte er diesen Falkenwind finden. Jedenfalls half er weder Fandora noch Simbala und schon gar nicht sich selbst, wenn er weiter in der Zelle blieb. »Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte er. »Ich muss fliehen.«
Er durchsuchte systematisch seine Taschen. Die Ausbeute war dürftig – die Windsegler hatten fast alles beschlagnahmt, auch sein Notizbuch (dessen Verlust ihm einen Stich versetzte), sein Netz und das Messer. Tief in einer der Taschen fand er seine Brille und die durchdringend riechenden Samenschoten, die er in seinem Garten gepflückt hatte. Das schien schon ein Jahr her zu sein. Nichts davon würde ihm helfen zu fliehen.
Amsel betrachtete die Decke der Zelle. Sie bestand aus einem verworrenen Durcheinander von Wurzelenden und Spinnengeweben. Berührung mit der Luft hatte die Wurzelenden ausgetrocknet, und ihre äußeren Schichten lösten sich in braunen Streifen ab. Amsel kletterte auf den Hocker, streckte die Arme nach oben aus und stellte fest, dass er die Wurzeln nur mit Mühe erreichen konnte. Er zog ein paar Streifen ab; sie waren so trocken, dass sie in seinen Händen zu einem trockenen Pulver zerkrümelten. Sie würden leicht brennen, kam ihm in den Sinn. Er grub die Hände in die Wurzeln und versuchte, ein Schaudern zu unterdrücken, als er spürte, wie ihm winzige Spinnen und Insekten über die Finger liefen. Er zog sich hinauf in das dicke Flechtwerk und stellte fest, dass er sich dort halten konnte, wenn auch nicht gerade in bequemer Stellung.
»Sehr gut«, sagte er und ließ sich wieder auf den Boden hinunter. Er sammelte mehrere der Streifen, die sich von den größeren Wurzeln gelöst hatten, zerkrümelte sie zu Pulver und füllte damit den kleinen Beutel, den er an seinem Gürtel trug.
18
»Die Prinzessin schlägt also wieder zu«, sagte Ceria zu Falkenwind in einem der Privaträume des Monarchen von Simbala. Es war ein rundes Zimmer, mit Vorhängen aus hellblauer Seide und dunklen, polierten Wänden. Sie saßen auf einer grauen, mit Perlen besetzten Causeuse. Es war das bequemste Sitzmöbel im Zimmer, ein altes Stück, das noch aus der Zeit des Königs Ambalon stammte.
»Lathan sah aus, als wollte er sich auf die Seite Eviraes schlagen, findest du nicht?« Falkenwind lächelte. Sein Besuch der Minen war hilfreich gewesen – trotz des Höhlenwolfs; er hatte in aller Ruhe die anliegenden Probleme überdenken können.
»Ich habe noch nie einen Mann von einem Ritt so erschöpft gesehen«, sagte Ceria.
»Er ist ein guter Mann«, sagte Falkenwind. »Ich kann es ihm nicht verargen, dass er sich vierzehn Tage ausruhen möchte. Es war eine schwierige Mission.«
Ceria nickte. Es freute sie, Falkenwind so gelöst zu sehen. Sie hatten selten Zeit füreinander. Sie spielte mit dem Rubindiadem, das er achtlos auf einem Arm der Causeuse abgelegt hatte. »Du musst achtgeben auf den Rubin«, schalt sie Falkenwind. »Er ist Beweis deiner Stellung in Simbala. Evirae würde alle Windschiffe Kiortes dagegen eintauschen.«
»Nein«, entgegnete Falkenwind. »Evirae ist ein verwöhntes Kind, aber sie ist keine Verräterin.«
Die Äußerung überraschte Ceria. »Das kannst du doch jetzt nicht mehr glauben! Nicht nach Lathans Bericht! Eviraes Treffen mit dem Mann aus Nordwelden war Verrat. Ihre Beschuldigungen waren Verrat! Was muss die Prinzessin noch tun, um dich zu überzeugen? Mich entführen?«
»Das«, Falkenwind lächelte, »wäre kein Verrat. Das
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