Drachenland: Roman (German Edition)
begann der Platz sich mit Menschen von überall her zu füllen. Es lag Spannung in der Luft, und viele Vermutungen wurden ausgetauscht, besonders unter den unzufriedenen Kaufleuten, deren Handel in den letzten Monaten von Falkenwind eingeschränkt worden war. Alle waren neugierig auf den Grund für dieses plötzliche Treffen.
Falkenwind traf ein, den Falken auf der Schulter und begleitet von Adjutanten. Links von ihm ging Ephrion. Es ertönten Beifallsrufe, während sie auf den Hügel zugingen, die aber nicht so begeistert klangen wie zuvor auf dem Podium von Beron.
Während Falkenwind und Ephrion auf Eviraes Ankunft warteten, warnte der ältere Mann seinen Nachfolger noch einmal. »Du musst vorsichtig sein bei ihr, Falkenwind. Sie ist schlau und verschlagen und wird dir das Wort im Mund umdrehen.«
Falkenwind blickte ungeduldig hinauf zum Hügel. »Ich habe die Behauptungen der Prinzessin schon mehrfach gehört«, erwiderte er leise, »und sie haben mich nicht beeindruckt.«
Ephrion forderte ärgerlich: »Du musst vorsichtig sein.« Er lehnte sich schwer auf seinen Stock. »Sie gehört zur königlichen Familie und hat eine Erfahrung in politischen Dingen, über die du nicht verfügst. Du darfst ihren Einfluss auf die Bevölkerung nicht unterschätzen.«
Falkenwind runzelte die Stirn, hob den Arm und sah dem davonfliegenden Falken nach. Erst Ceria, jetzt Ephrion, dachte er. Sie glauben nicht, dass ich die Prinzessin ernst nehme.
»Es gibt nichts, was Evirae angesichts der Wahrheit unternehmen könnte«, sagte er. »Die Wahrheit ist meine wertvollste Verteidigung. Ich habe nichts getan, was gegen das Wohl unseres Volkes gerichtet wäre. Evirae versucht doch nur wieder, sich einzumischen und mich einzuschüchtern. Sie wird enttäuscht sein.«
Ephrion drückte den Arm des jungen Mannes. »Sie kommt«, sagte er. »Vergiss bitte ihre Stellung nicht. Jetzt ist nicht der richtige Moment, sich die Familie zum Feind zu machen.«
»Die Familie interessiert sich wenig für meine Ansichten«, erwiderte Falkenwind grimmig, bevor er sich umdrehte und die Treppe hinaufstieg, um die Prinzessin zu erwarten. Es dauerte nicht lange, bis er ihre mit Seide drapierte Sänfte entdeckte, die von vier Adjutanten getragen wurde. Es gab ehrerbietigen Beifall aus der Menge, als sie sich dem Hügel näherte.
Weiter unten auf dem Marktplatz ging Mesor beunruhigt neben der Sänfte her. Er hatte immer noch keine Ahnung, ob Falkenwind von dem fandoranischen Spion erfahren hatte. Wenn der Monarch irgendwelche Beweise gegen Evirae besaß, drohte ihr und Mesor die Festnahme.
In diesem Augenblick begann die Sänfte, sich von ihm zu entfernen und einen Weg durch die Menge zu bahnen. Dabei sah Mesor Eviraes lange Nägel, die den Vorhang an einer Seite zur Seite schoben. »Kümmere dich um die Männer«, flüsterte Evirae, »und halte Ausschau nach den Vertrauensleuten meines Gemahls.« Mesor nickte, und die Sänfte bewegte sich auf die Treppe zum Hügel zu. Auf dem Platz herrschte jetzt erwartungsvolles Schweigen. Falkenwind bemühte sich, ruhig zu bleiben, empfand aber zunehmend Zorn angesichts Eviraes Unterfangen: Es ging ihr ja wohl nur darum, die Leute aus Oberwald zu beunruhigen – zu einem Zeitpunkt, da er ihre Unterstützung am dringendsten brauchte. Schließlich gab es schwerwiegende Probleme – die Ermordung des Kindes, die Überschwemmung der Minen -, und er hatte keine Zeit für dieses kleinliche Rivalitätsgehabe. Er war nur hier, um zu verhindern, dass Evirae allein vor die Kaufleute trat mit ihrem wie auch immer gearteten neuesten Komplott. Die Vorwürfe des Nordweldeners hatten schon genug Schaden angerichtet. Zumindest konnte er das Treffen dazu benutzen, die Bürger Simbalas in dieser Hinsicht zu beruhigen.
Evirae kam die Stufen zum Hügel hinauf. Er empfing sie mit einem förmlichen Lächeln. Sie würde als Erste Gelegenheit zum Sprechen haben. Auf diese Weise konnte er auf irgendwelche Behauptungen, die sie der Menge gegenüber aufstellte, sofort eingehen.
Falkenwind streckte den Arm aus, wie um Evirae den Vortritt zu lassen. Sie ignorierte ihn, ging rasch zum Podium und blickte dann auf die Menschenmenge. Ihre langen lackierten Nägel glänzten im Sonnenlicht. Sie lächelte nicht. »Mein Volk«, sagte sie theatralisch, »ich bringe eine Nachricht, die für ganz Simbala von großer Wichtigkeit ist.«
Falkenwind hob die Augenbrauen und wartete.
»Unser Wald ist in Gefahr!«, sagte sie. »Der Mann aus Nordwelden hat die
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