Drachenland: Roman (German Edition)
Hand und den rechten Arm von dem zähen Schlamm befreit hatte. Er zog den Felsbrocken, der seinen Kopf eingeklemmt hatte, fort, und die Schmerzen in seinem Rücken ließen nach. Er ruhte sich einen Augenblick aus und begann dann, sich aus dem Schlamm hinauszuarbeiten.
Von Kopf bis Fuß von Schlamm überzogen, war er schließlich frei. Er tastete jetzt den Schlammberg ab, der den Tunnel füllte, konnte aber keine Spur von dem Wächter finden. Der Mann musste entweder völlig im Schlamm untergegangen sein oder sich auf der anderen Seite des Einsturzes befinden. »Jedenfalls gibt es nichts, was ich jetzt für ihn tun könnte«, sagte Amsel. Er begann, sich einen Weg im stockdunklen Tunnel zu suchen, eine Hand immer an der Wand. Es taten ihm immer noch alle Glieder weh, und er musste sich alle paar Minuten ausruhen, aber die Bewegung tat ihm gut.
Der Tunnel schien unendlich lang; Amsel verlor jedes Zeitgefühl und wusste nicht, ob er einer weiten Biegung oder einem geradlinigen Weg folge. Es schien jedoch nach oben zu gehen, und bald änderten sich die Geräusche seiner Schritte. Schlamm und Lehm waren Felsen gewichen.
Amsel lächelte. Er näherte sich der Oberfläche.
Wie lange war es schon her, seit er Fandora verlassen hatte? Er war sich nicht sicher – die Tage im Boot verschmolzen zu einem Traum von Sonne und Wellen -, aber er wusste, dass er bereits mindestens eine Woche unterwegs war. Konnte Fandora in dieser Zeit eine Armee mobilisieren? Es wäre möglich, wenn die Leute hinreichend motiviert wurden, und Amsel wusste nur zu gut, welche Wirkung Johans Tod auf Fandora gehabt hatte. Das bedeutete, dass jetzt bereits eine Flotte auf dem Weg zu Simbalas Küste sein konnte.
»Das darf nicht sein!«, sagte er laut, und seine Worte kamen zurück und verfolgten ihn. Das Echo war beinahe furchterregend. Amsel fühlte sich allein und verlassen, aber er hatte keine andere Wahl, als dem Tunnel weiter zu folgen und zu beten. »Johan, es werden nicht noch mehr sterben!«, sagte er leise und lief weiter. Nach einer Weile machte er eine Pause, um sich auszuruhen. Die Echos seiner Worte waren verklungen, und alles war still. Dann hörte Amsel weit hinter sich ein klackendes Geräusch. Einen Augenblick lang verwirrte es ihn, dann lief ihm ein kalter Schauder über den Rücken, als ihm klar wurde, dass es Krallen waren, die auf den nackten Felsen trafen.
Irgendetwas folgte ihm.
20
Dayon stand am Bug des Leitschiffs, einem Fischerboot mit zwanzig Mann. Es war gefährlich überbemannt und nahm in der bewegten See ständig Wasser über. Die Straße von Balomar war fünfzig Meilen lang und knapp zwanzig breit, und mit Ausnahme der verhältnismäßig ruhigen Fjorde und Buchten entlang der Küsten von Fandora und Simbala war jede einzelne dieser Meilen gefährlich. Hier trafen nicht nur zwei Meere aufeinander, sondern auch die warme Luft vom Südmeer und die kalte Luft vom nördlichen Drachenmeer. Aus dem Zusammenprall von Wind und Strömungen entstanden turmhohe Wellen und starke Unterströmungen. Selbst an heiteren Tagen war die Straße unwirtlich – an unfreundlichen konnte sie ein wahrer Mahlstrom sein.
An diesem Tag war das Wetter erträglich, und so hatte die Flotte eine gewisse Aussicht, die gegenüberliegende Küste zu erreichen. Dayon hatte Weisung erteilt, dass die Boote sich an die Küste hielten, bis sie ein Gebiet der Straße erreichten, wo das Wasser seicht und die Turbulenzen geringer waren. Er starrte nach vorn auf die schaumgekrönten Wellen. Um nicht in Panik zu geraten, gestattete er sich nicht, an all die Männer zu denken, deren Los von jeder seiner Entscheidungen abhing.
Jondalrun, ebenfalls im Leitschiff, nahm voller Schrecken die Wellen wahr, die bis zu zehn, zwölf Fuß hoch waren und wahllos um die Schiffe herum auftauchten und von den peitschenden Winden mit Schaumkronen versehen wurden. »Ich wusste nicht, dass es so aussehen würde«, brüllte er Dayon zu.
»Kaum einer weiß es«, brüllte Dayon zurück. Er hielt die Augen auf die Wellen gerichtet, während die Flotte sich langsam voranbewegte. Seine Knöchel hoben sich weiß ab von den obersten Planken des Bootes.
»Wirst du uns durchbringen?«, fragte Jondalrun.
»Ich versuche es«, sagte Dayon. »Der Zeitpunkt ist besonders günstig: Es ist Ebbe, und die Winde sind verhältnismäßig schwach. Das bedeutet natürlich, dass dichter Nebel herrschen wird, aber es ist unwahrscheinlich, dass wir draußen auf irgendetwas auflaufen. Wenn es
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