Drachenland: Roman (German Edition)
hiermit für morgen früh eine Versammlung der Familien ein! Prinzessin Evirae, Ihr dürft Euch zurückziehen.«
Evirae zitterte vor Wut über die Entlassung, aber nach einem Blick auf Falkenwinds Gesicht verließ sie wortlos das Podium und stieg die Treppe hinauf. Später, dachte sie, knüpfe ich mir allein die Leute vor.
Falkenwind beobachtete sie. Das Protokoll schrieb vor, dass Evirae jetzt den Hügel verließ, aber sie wartete eigensinnig auf der obersten Stufe. Offensichtlich wollte sie ihn vor versammelter Menge lächerlich machen.
Falkenwind rief Evirae mit lauter Stimme zu: »Ich habe zu lange Nachsicht mit Euch geübt, Prinzessin Evirae. Wenn Ihr öffentlich Eure Spielchen mit mir treiben wollt, werdet Ihr erfahren, was es heißt, zu verlieren! Verlasst diese Versammlung! Ich muss zu den Bürgern sprechen!«
Evirae wartete gerade lange genug, um ihre Verachtung zu zeigen, und stieg dann die Treppe hinunter.
Falkenwind sprach zu der Menge. »Wir werden morgen zusammenkommen, um über den Erhalt des Friedens zu sprechen. Kehrt jetzt zu euren Familien zurück, und ruft jene herbei, die die Kristalle werfen werden. Die Versammlung wird in der Höhle der Wasserfälle zusammenkommen. Übt Zurückhaltung in euren Äußerungen bis morgen. Gerüchte bringen das Kind nicht zurück. Wir müssen zusammenstehen!«
Er verließ die Plattform, trat zu König Ephrion und wies seine Adjutanten an, die Pferde zu bringen. Er war ärgerlich, dass er sich von Evirae aus der Fassung hatte bringen lassen. Ephrion hatte recht gehabt. Evirae war gefährlicher, als er gedacht hatte.
Das Volk würde jetzt über Frieden oder Krieg entscheiden. So sollte es auch sein, dachte er; die Wahrheit wird entscheiden. Und doch war Falkenwind beunruhigt. Die Wahrheit und die Prinzessin standen schon so lange miteinander auf Kriegsfuß – viel länger, als er Herrscher Simbalas war.
Ephrion zog die Zügel an. »Mein Sohn«, fragte er, »warum hast du sie nicht entlarvt? Du wusstest doch, dass sie bei dem Mann aus Nordwelden gegen dich intrigiert hat.«
Falkenwind schwang sich in den Sattel. »Das wäre Eviraes Taktik«, entgegnete er. »Ich erniedrige mich nicht zu Beschuldigungen. Ich werde Evirae mithilfe des Gesetzes besiegen.«
Ephrion lächelte. »Gut«, sagte er. »Aber ich könnte ja mit Lady Eselle sprechen. Sie hat immer noch einen gewissen Einfluss auf ihre Tochter.«
»Nein!« Falkenwind streckte den Arm für den Falken aus. »Du hast dich für mich entschieden, nicht für Evirae. Wenn ich der Stellung würdig sein soll, muss ich den Leuten beweisen, dass Evirae die Interessen des Volkes gleichgültig sind, und ich muss es so tun, dass es nicht zu einem Bruch innerhalb der königlichen Familie kommt. Wenn du dich bei Lady Eselle für mich einsetzt, werde ich nicht gerade ihre Achtung erwerben.«
Ephrion nickte mit väterlichem Stolz und sagte: »Aus dem Helden wird ein Staatsmann.«
Evirae stand hinter dem Podium und sah den dunklen Hengst im Wald verschwinden. Der Bergmann weiß nichts von dem Spion, dachte sie, und nichts von Kiortes Verschwinden. Es ist gut gelaufen, viel besser, als ich erwartet hatte.
Mesor reichte ihr den Arm, und sie kehrte wie eine Königin zu ihrer Sänfte zurück, ohne auf seine bewundernden Worte zu achten. Ich habe Zweifel bei den Kaufleuten gesät, dachte sie, und jene, die Falkenwind ohnehin schon misstrauen, werden ihn jetzt für einen Verräter halten. Ich muss Kiorte finden, überlegte sie, während sie der Menge zuwinkte, und ich muss noch einmal den Spion aufsuchen …
Tief unter dem Palast, in einem anderen Teil der Höhlen, kam Amsel zu sich und öffnete die Augen. Das Erste, was er bemerkte, war ein stechender Schmerz im Rücken. Er versuchte, den Kopf zu drehen, und merkte, dass ein Felsbrocken ihn festhielt. Er versuchte, die Hände zu heben, konnte sie aber nicht bewegen. Als sein Empfindungsvermögen zurückkehrte, wurde ihm klar, dass er bis zum Hals in kaltem Schlamm begraben war. Er lag auf dem Rücken. Die Schmerzen waren heftig, aber nicht so, dass er befürchten musste, sein Rückgrat sei gebrochen.
Er öffnete seine schlammverklebten Augen mit Mühe und ohne Erfolg: Er konnte nichts sehen. Im Tunnel war es völlig dunkel. Die beiden letzten Finger seiner rechten Hand waren frei; er benutzte sie, um schwächlich an dem seine übrige Hand bedeckenden Schlamm zu kratzen.
Er brauchte sehr lange und hatte das Gefühl, er müsse Hurra rufen, als er endlich die rechte
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