Drachenlanze - Der Bund der ...
Zwei milchige, kugelige Augen auf
Fühlern ragten vor dem Tier hoch. Die Fühler tasteten sich
nach vorn, während der knollenförmige Körper im Wasser
trieb.
Kit sah zu, wie die Aale auf beiden Seiten des schimmernden
Riesentiers genau auf sie zuschossen. Lurie hatte Kit von
diesen Wächteraalen erzählt, die häufig in Gesellschaft von
Quallen lebten. Ihre Aufgabe bestand darin, den Quallen die
Beute in ihre unzähligen Tentakel zu treiben, indem sie sie
gnadenlos angriffen und mit ihren Unmengen von winzigen,
rasiermesserscharfen Zähnen zubissen.
Diesmal ließ Kit bei dem Angriff vor Schmerz fast das Faß
los. Die Aale hatten sich um ihr eines Bein gewickelt und
zogen sie nach unten. Kit wehrte sich mit aller Macht, doch um
sie herum drehte sich alles, so brannte der Schmerz. Als sie
endlich wieder klar denken konnte, war die Qualle über ihr. Sie
türmte sich vor ihr auf, bedeckte sie völlig, saugte sie zu ihrem
weichen, tiefroten Maul hin.
Kit ließ das Faß los und tauchte, so tief sie sich traute, unter
der Tentakelmasse weg. Als ihr fast die Lungen platzten, kam
sie hinter ihr hoch.
Die beiden Aale griffen immer noch ihr Bein an, doch sie
hatte einen Augenblick Zeit, hinzugreifen und einen von ihnen
abzureißen. Er wand sich in ihrem Griff, um seine winzigen
Zahnreihen in ihren Arm zu graben, doch sie hob den Aal aus
dem Wasser, nahm alle Kräfte zusammen, schlang ihn zu
einem Knoten und riß ihn entzwei. Die zwei Teile zuckten
blutspritzend im Wasser.
Kaum hatte Kit das getan, da löste sich der andere Aal von
ihrem Bein und schwamm hin, um seinen Kollegen zu fressen.
Sie hatte keine Zeit, sich zu gratulieren. Die Riesenqualle
griff erneut an. Diesmal wickelte sie ihr die Tentakel um Beine
und Rücken, um sie zu vergiften. Das Schwert war nutzlos,
denn im Wasser kam Kit nicht heran. Und das Gewicht der
Qualle zog sie nach unten, während das Gift sie benebelte.
Einer der Fühler glitt suchend vor ihren Augen vorbei.
Verzweifelt griff sie zu und konnte einen der milchigen
Augäpfel des Wesens erwischen. Der Fühler zuckte wie wild.
Kitiara wurde vor Schmerz durchgeschüttelt, doch es gelang
ihr, die Faust um den Augapfel zuzudrücken.
Das weiche, schwammige Ding platzte in ihrer Hand, und
Blut und Schleim spritzten ins Wasser. Im gleichen Moment
zuckte das Tier zusammen, denn seine Kraft ließ nach. Bevor
Kit wußte, wie ihr geschah, hatte sich das schleimige Wesen
zurückgezogen, glitt rasch zurück und verschwand unter
Wasser.
Sie war von zitternden Schleimstücken bedeckt. Der
Schmerz ließ bereits nach. Doch Kit würde vor Erschöpfung
bald ihr Bewußtsein verlieren.
»Verflucht sei Patrick, der sich die Kehle aufschlitzen ließ,
und verflucht seien alle Himmel für diesen verdammten
Sturm!« schrie Kitiara kraftlos, weil der Klang der eigenen
Stimme ihr irgendwie Trost spendete.
Als sie im Westen die dünne, dunkle Linie sah, machte Kits
Herz einen Sprung. Land!
Ihr Faß trieb vorbei. Mit heftigen Beinschlägen schwamm
Kit los und erwischte das tanzende Holz. Mit dem letzten
Restchen Kraft hielt sie sich fest, während die Strömung sie an
den Strand trug.
Kitiara erwachte mit furchtbarem Durst. Die
Vormittagssonne brannte auf sie herab. Sie war wie benommen
und zerschlagen, aber sie lebte.
Nachdem sie den Kopf aus dem Sand gehoben hatte, stellte
sie fest, daß sie an einen einsamen Strand gespült worden war.
Auch gut, denn die Wellen hatten ihrer Bluse so übel
mitgespielt, daß von dieser nur noch ein paar Fetzen übrig
waren, die von Fäden zusammengehalten wurden. Ihre Hose
hatte den Sturm nicht viel besser überstanden.
Nachdem sie sich mühsam aufgesetzt hatte, nahm Kit
Bestand auf. Becks Schwert war immer noch über ihren
Rücken gebunden, ein Glück. Doch der kleine Beutel mit
Edelsteinen und die Ausweispapiere, die sie aus Patricks
Kabine mitgenommen hatte, waren im Kampf mit der See
ebenso verlorengegangen wie die Tasche mit ihren Stiefeln und
den frischen Kleidern. Bei der raschen Durchsuchung ihrer
Taschen tauchten nur ein paar Münzen auf, weiter nichts.
Kitiara durchstöberte das Treibgut, das der Sturm an den
Strand geworfen hatte: ein Haufen Holz, eine zerbrochene
Schiffslaterne, ausgefranste Seilreste, eine tote Katze, ein
einzelner Stiefel und etwas, das so aussah wie der angenagte
Kopf von einem der Aale, die sie angegriffen hatten. Nichts
Interessantes für Kit, abgesehen von einer mitgenommenen
Lederweste. Sie mußte einem Seeman gehört haben, der kaum
größer
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