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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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Morgen bringt man ihm eine
graue Robe, die sein noch ungelebtes Potential symbolisiert,
und führt ihn aus dem Wald«, endete sie. »Dabei gibt es kein
Straßenfest. Statt dessen achten alle gewöhnlichen Elfen
darauf, den jungen Kentommen-Elfen überhaupt nicht
anzusehen, während man ihn in seiner grauen Robe durch die
Stadt führt.«
»Warum nicht?« wollte der Zwerg wissen.
»Weil er weder Kind noch Erwachsener ist. Im Prinzip
existiert er gar nicht. Ein Elf würde sich lächerlich machen,
wenn er jemanden ansieht, den es gar nicht gibt.«
Flint schnaubte, was aber nicht verächtlich klang. »Das ist ja
ganz etwas anderes als mein Vollbarttag. Da gab es
hauptsächlich einen Haufen Geschenke und große Krüge voll
Bier.« Er sah nachdenklich aus. »Wenn ich’s mir überlege,
ziehe ich das drei Tagen ohne Essen und Bier vor.«
Leise lachend legte Ailea den sauberen Verband an. Dann
brachte sie Flint alles, was er für seine Arbeit an der Medaille
brauchte.
Tanis kam an diesem Abend früh vom Palast zurück und
hatte alles für die Nacht dabei. Er bereitete ein einfaches
Abendbrot für sich, die Hebamme und den Zwerg zu: ein Laib
braunes Brot, ein halber Käse, die letzten süßen Äpfel vom
vergangenen Herbst und einen kleinen Krug Bier. Schließlich
ging die Sonne hinter den Espen unter. Die letzten
Lichtstrahlen leuchteten durch das Grün der gefiederten
Blätter, und Schatten krochen aus den dunklen Hainen, um sich
über die Straßen der Elfenstadt zu schieben. Der Halbelf
überzeugte Eld Ailea, daß sie Flint ruhig mal eine Weile
verlassen konnte, und sie gab zu, daß sie noch etliche andere
Dinge zu erledigen hätte.
»Aber laß niemanden ein, nur mich oder die Stimme«,
warnte sie Tanis.
»Warum?«
Eid Ailea schien mit etwas herausrücken zu wollen, doch in
letzter Sekunde beherrschte sie sich. »Flint sollte am besten
eine Weile ruhen. Du weißt, wie Besuch ihn aufregt.« Dann
versprach sie Tanis, am Morgen zurückzukommen, lief
geschwind den Weg hinunter, schlüpfte dann zwischen zwei
baumartigen Häusern durch und verschwand.
»Flint? Aufgeregt wegen Besuch?« fragte der Halbelf sich
leise. Er schüttelte den Kopf.
* * *
    Als Flint am anderen Morgen die Augen aufschlug, herrschte
ein Höllenlärm. »Reorx in der Schmiede! Was ist das für ein
Aufruhr?« wollte er wissen. Aus den weichen Schatten im
Laden zu schließen, war die Sonne gerade erst aufgegangen.
    Tanis drehte sich auf der Schlafstatt um, die er sich auf
einem dicken Teppich neben Flints Tisch gebaut hatte, stand
auf und öffnete die Fensterläden. Flint stützte sich auf einen
Ellbogen und schaute in ein Farbenmeer. Dutzende von Elfen
strömten an seinem Laden vorbei und sangen mit lauter
Stimme ein wildes Lied in fremder Sprache. Er erkannte nur
wenige Elfenwörter, und selbst die klangen seltsam.
»Die alte Sprache«, erklärte Tanis, »aus der Zeit von Kith
    Kanan, auch wenn manche Lieder jünger sind. Sie preisen
Elfensiege seit den Sippenmord-Kriegen und loben die
verschiedenen Altersstufen, vom Baby bis zum Greis. Es geht
auch um Leute, die in ihrem Leben große Dinge vollbracht
haben.« Er hörte auf zu sprechen und lauschte mit abwesendem
Gesichtsausdruck. Plötzlich blieb ein Elf in kräftig
pinkfarbener Robe vor dem Laden stehen und begann ein neues
Lied. »Aber Flint!« rief Tanis aus, wobei er den Zwerg nicht
ansah. »Das ist ja über dich! Und auch in Altelfisch!«
    »Sag bloß«, wunderte sich Flint. Er stand mühsam auf und
schob vorsichtig seine Arme in die Ärmel eines blaßgrünen
Hemds, das Eld Aileas Nadel erst kürzlich fertiggestellt hatte.
Dann zog er das Hemd über dem Verband zurecht. »Und
Junge, was sagt er?«
    »Er sagt«, Tanis konzentrierte sich, »er sagt, daß du ein
Prinz unter den Zwergen bist.« Der Halbelf konzentrierte sich
wieder, wobei er darauf achtete, Flint das Gesicht nicht
zuzuwenden.
    »Weiter, Junge«, drängte Flint. »Erzähl doch.« In seiner Eile
steckte er versehentlich beide Füße in dasselbe Hosenbein und
mußte die Hose noch einmal ausziehen.
    Tanis warf ihm einen verstohlenen Blick zu. »Er sagt, du bist
ein genialer Schmied
– nein, ein >wahrer Künstler< deines
Fachs.«
    Flint war beeindruckt und spähte aus dem Fenster. »Und
dabei glaube ich nicht, daß ich den Herrn überhaupt kenne…«
Er steckte einen Fuß in den Stiefel, ohne hinzusehen, und
hüpfte auf dem anderen Bein herum. Der Elf draußen sang
weiter. Er hatte den Kopf zurückgeworfen und die Hände vor
der Robe

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