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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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Elfenfrau
ungewöhnlich aussah, aber sie war entsetzlich aufgeregt.
    »Das muß es sein!« flüsterte sie sich selbst zu. »Natürlich!«
Am Kamin machte sie kehrt und ging wieder zur Haustür.
Erneut spähte sie auf die Straße hinaus. »Wo stecken sie
bloß?« schimpfte sie. »Hat Fionia sie inzwischen wohl
gefunden? Ich hoffe bloß, das Kind hat sich nicht verlaufen…«
    Sie hörte hinten im Haus etwas knacken und machte die
Haustür wieder zu. »Flint? Tanthalas?« rief sie mit fast
katzenhaftem Gesichtsausdruck. Sie eilte wieder durch das
Empfangszimmer, dann am Kamin vorbei. An der Schwelle zur
Küche blieb sie stehen. »Wer…?«
    Die Gestalt drehte sich um, und Eld Ailea erstarrte. In all den
Jahrhunderten hatte sie noch nie so gefürchtet. Mit feuchten
Händen und kurzen Atemzügen wich sie blindlings zurück und
warf dabei einen kleinen Tisch um. Drei Babyporträts und
einer von Flints Schaukelvögeln fielen auf den Boden.
Die Gestalt folgte ihr ins Empfangszimmer. Ailea wollte
schreien.
    Doch sie brachte keinen Ton mehr heraus, sondern brach still
auf dem Boden zusammen.
Dann war die Gestalt verschwunden.
* * *
    Als Tanis von der Prozession wegging, nahm er die
einsamsten Straßen, die er finden konnte – was nicht schwierig
war, denn die meisten Bewohner von Qualinost folgten
Porthios und der Stimme zum Hain. Er lief eine halbe Stunde
umher, bis ihn der Ruf eines Straßenhändlers daran erinnerte,
daß er Flint versprochen hatte, ihn im Laden zu treffen.
    Kurz darauf kam er dort an, fand jedoch nur ein blondes
Elfenkind vor, das glücklich auf dem Boden mit verschiedenen
Holzspielsachen beschäftigt war. Es stellte sich als Fiona vor,
zeigte Eld Aileas Nachricht, die noch auf der Bank lag, und
verkündete stolz, daß der Zwerg ihr das ganze Spielzeug
geschenkt hätte.
Tanis las die Nachricht und war schon aus der Tür gerannt,
bevor das Mädchen den Satz zu Ende gebracht hatte.
    Später würde er sich kaum noch daran erinnern können, wie
er eigentlich so schnell von Flints Laden zu Eld Aileas Haus
gekommen war. Überall sangen, tanzten und lachten die
Qualinesti. Einmal sah er Flint Feuerschmied kurz allein an
einer Straßenecke stehen und suchend um sich blicken, als
wenn er jemanden verloren hätte, doch als die Menge den
Blick wieder freigab, war der Zwerg verschwunden. Der
Halbelf eilte weiter.
    Die Tür des rosa-grauen Hauses war nicht verriegelt, doch
das war nichts Ungewöhnliches. Die Qualinesti verschlossen
ihre Türen selten; es gab nur wenige Verbrechen in Qualinost,
kein Elf mußte sich fürchten. Tanis klopfte, erst zögernd, dann
fester, weil die übliche Antwort der Hebamme: »Komme,
komme, komme«, nicht zu hören war. Er rief zum Fenster im
ersten Stock hoch, doch es kam keine Antwort.
    Eine Nachbarin streckte den Kopf aus ihrer Tür und sah den
Halbelfen, der heftig gegen die Tür schlug, verwundert an.
»Ailea muß zu Hause sein«, rief die Elfenfrau. »Ich habe sie
vor kaum fünf Minuten am Fenster gesehen.«
    Schließlich machte Tanis die Tür auf und trat ein. Noch
bevor sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten,
wußte er, daß etwas nicht stimmte. Er hatte erwartet, daß eine
aufgeregete Hebamme von hinten angerannt käme, um ihm zu
sagen, wie sie das Rätsel um Xenoths Tod gelöst hatte.
Statt dessen roch er Tod. Die Tür schlug hinter ihm zu.
    Die alte Hebamme lag vor dem Kamin auf dem Rücken – in
ihrem eigenen Blut. Ihre runden Augen, die Menschenaugen,
für die sie sich nie geschämt hatte, starrten blicklos an die
Deckenbalken. Dutzende von Miniaturen lagen im Raum
verteilt. Tanis konnte erkennen, daß sie sich nach dem
tödlichen Treffer noch bewegt hatte; eine breite Blutspur zog
sich von der Tür bis zu dem Teppich vor dem Kamin. Einen
Ärmel hatte sie bis zum Ellbogen hochgezogen, und ihr
fliederfarbener Rock war etwas verrutscht, wodurch er ein
schlankes Bein bis zum Knie enthüllte. In der anderen Hand
hielt Ailea das Portrat von zwei Elfenkindern.
    Tanis konnte nicht einmal aufschreien. Er kniete sich neben
den zierlichen Körper der Elfin, ohne auf das Blut zu achten,
das seine Hosen und Mokassins durchtränkte. Aileas Rock war
voller Blut. Er merkte, daß er vergeblich versuchte, es
abzuwischen, und es dabei nur noch mehr verschmierte. Er
berührte ihr Gesicht in der Hoffnung, ihren Atem an seiner
Hand zu spüren. Das Fleisch der Elfin war zwar noch warm,
jedoch totenstill.
    Seine Finger waren ganz rot. Als er sich auf die

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