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Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Titel: Drachenlanze - Die Stunde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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zu tun, Freund. Kann ich noch etwas für
Euch tun?« unterbrach Otiks milde Stimme Gäsils
Gedankengang.
»Danke«, sagte der Kesselflicker, der abrupt in die
Gegenwart zurückgerissen wurde. Verlegen kratzte er sich die
schlammverkrustete Haut. »Ehrlich gesagt, könnte ich ein Bad
vertragen, bevor ich zum Markt gehe. Habt Ihr hier vielleicht
einen Zuber?«
    Ein rosig geschrubbter Gäsil trat eine Stunde später aus dem
Gasthaus und wanderte die Wendeltreppe zum Boden hinunter.
Seine Haare waren frisch gewaschen und die Reisekleider in
seiner Hand wieder sauber und bereit, zum Trocknen
aufgehängt zu werden. Er hatte seine beste Tunika und die
beste Hose an – nicht zu einfach, damit seine Kunden ihn nicht
für einen Neuling in seinem Geschäft hielten, aber auch nicht
zu auffällig, damit er nicht zu teuer wirkte. Das Armband des
Zwergs hatte er aus der Hose genommen, bevor er sie
gewaschen hatte, und zur sicheren Aufbewahrung in die
Tasche seiner sauberen Hosen gesteckt.
    Der Kesselflicker ging die paar Schritte zum Stall, wo er
Bella und den Wagen den Händen eines jungen Stallburschen
überlassen hatte, eines gut genährten, rothaarigen Jungen von
dreizehn Jahren. Nachdem er eine Stahlmünze für Bellas Futter
und Pflege bezahlt hatte, kletterte er auf den Kutschbock und
beugte sich durch die kleine Öffnung in der Vorderseite ins
Innere, um seine Kleider innen aufzuhängen. Ein kurzer Blick
verriet ihm, daß nichts fehlte – der Junge hatte seine Sache gut
gemacht.
    Beim Umdrehen zog er die Karte des Kenders vom
Marktplatz aus einem Kasten unter dem Sitz hervor. Von den
Vorjahren her wußte er, daß der Markt am Westende der Stadt
in Sichtweite des Krystallmirsees abgehalten wurde. Im
Augenblick war Gäsil im Nordosten von Solace. Es gab keinen
direkten Weg zum Festplatz, deshalb ließ er Bella auf der
Südstraße zurückkehren, bog dann aber nach rechts ab und
durchquerte die Nordseite der Stadt. Die Straße wurde enger
und verwandelte sich in Morast.
    Er hörte das Fest, noch bevor er etwas davon sah, denn es
erstreckte sich im Schutz der Vallenholzbäume auf dem gegen
Westen abfallenden Land. Auf Jahrmärkten ging es immer laut
und zügellos zu, egal zu welcher Jahreszeit. Im Frühling
versank man im Matsch, im Sommer erstickte man fast in den
Staubwolken. Und in schneereichen Regionen wie Abanasinia
fanden sie natürlich selten im Winter statt.
    Gäsil blickte noch einmal auf die Karte des Kenders. Anstatt
den direkten Weg über die überfüllte Hauptgasse zu nehmen,
wo die Besucher gingen, fuhr er mit dem Zeigefinger einen
Weg hinter den Ständen nach. Sein Finger war voller Narben,
nachdem er jahrelang stumpfe Messer rasierklingenscharf
gewetzt und Kesselflickerarbeiten verrichtet hatte. Die Wagen
und Karren zahlloser Händler hatten Furchen in die frisch
getaute Erdoberfläche getrieben, dennoch kam man hier besser
voran.
    Der Kesselflicker fand den Stand des Zwergs ohne
Schwierigkeiten und band seinen Karren so nah wie möglich
daneben an. Ein einfacher, grauer Vorhang hing an der
Rückseite und an den Seiten des Stands herunter. Dahinter lag
ein kleiner, grasbewachsener Platz mit drei schlichten Stühlen,
einem sauberen Heuhaufen, der mit einer grobgewebten Decke
zugedeckt war, einer leeren Bierflasche und ein paar
leergeräumten Regalen. Der Zwerg benutzte sie
wahrscheinlich, um weitere Ware aufzubewahren, hatte seine
Sachen jedoch vermutlich sicherheitshalber über Nacht nach
Hause mitgenommen. Hinter einem zweiten Vorhang war der
eigentliche Stand: drei einfache Holzplanken auf Böcken unter
freiem Himmel. Sie waren niedriger eingestellt, als Gäsil lieb
war, aber es wäre ihm nicht wohl dabei gewesen, den Stand
ohne Erlaubnis zu verändern. Ein enger Eingang an der
Vorderseite gestattete es den Kunden, zwischen den Waren
hereinzukommen. Auf dem Boden war wegen des Matsches
Heu verteilt.
    Einfach, aber zweckmäßig, befand der Kesselflicker.
Nachdem er Bella abgezäumt hatte, packte er sein Werkzeug
zusammen und lief ein paarmal zwischen Karren und Stand hin
und her, bis er alles drüben hatte. Zum Schluß „holte er sein
Schild: »Schleifen. Löten. Reparaturen aller Art.« Dann stellte
er sich auf einen Stuhl, um das Schild an den vorderen
Vorhang zu hängen.
    Als er sich bückte, um den Stuhl zu verrücken, merkte er,
wie etwas aus seiner Tasche fiel. Im Heu neben seinen Füßen
lag das Kupferarmband. Gäsil hob es wieder auf. Er überlegte,
ob er es in den Kasten unter dem Sitz

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