Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
Augen
geschlossen waren! Er hatte keine Ahnung, was los war, aber
er stellte fest, daß ein Teil seiner Ware aus dem Wagen fehlte
das Ochsenjoch, das er unter dem Kasten festgebunden hatte,
war verschwunden.
Als Gäsil die Augen wieder aufschlug, war der Wagen
verschwunden. Er saß wieder in einem geliehenen Stand auf
dem Jahrmarkt von Solace.
Natürlich fragte sich Gäsil sofort, was dieser seltsame
Vorgang zu bedeuten hatte. Aus purer Neugier steckte er den
Kopf durch den Vorhang, um nach dem Wagen zu sehen.
Natürlich, da war das Joch, genau da, wo es hingehörte. Was
also hatte die Vision zu bedeuten? Wollte jemand es vom
Wagen stehlen?
Dieses Ochsenjoch war ein wunder Punkt von Gäsil.
Hepsiba hatte es einem Nachbarn abgekauft, der im vorletzten
Herbst in schweren Geldnöten gesteckt hatte. Sie hatte fast
nichts dafür bezahlt und Gäsil erzählt, daß er es viel teurer
weiterverkaufen konnte. Aber Zwischenhandel gehörte nicht zu
Gäsils Geschäft, und ihm mißfiel beides, wie sie sich in seine
Arbeit, einmischte und wie sie die Notlage eines Nachbarn
ausgenutzt hatte. Dennoch schleppte er das Joch brav von Fest
zu Fest mit und stellte es aus, nur um es am Ende des Fests
wieder unter dem Karren fest/uzurren.
Jetzt hatte er den Wagen deutlich ohne Ochsenjoch gesehen,
und das war das einzig Bemerkenswerte daran. Er fand, das
könnte nur zwei Bedeutungen haben: Entweder würde er es
hier verkaufen – was er bezweifelte –, oder jemand wollte es
hier stehlen – was er noch mehr bezweifelte. Auf jeden Fall
beschloß er, daß das Joch im Stand besser aufgehoben war,
sowohl zum Ausstellen als auch zum Schutz.
Er brauchte nicht lange, um das häßliche Ding in den Stand
zu holen. Als er es gerade gegen das Faß in der Ecke lehnte,
kam ein Kunde. Den schwieligen Händen und den groben
Kleidern nach war der Mann anscheinend ein Bauer. Er faßte
das Joch sorgfältig und fachmännisch ins Auge, spuckte dann
aus und fragte: »Wieviel?«
Die Frage traf Gäsil völlig unvorbereitet. Da er nie wirklich
erwartet hatte, daß jemand das Joch kaufen würde, hatte er sich
nie überlegt, wieviel es wohl wert war. Er entschied sich für
den uralten Trick: »Was bietet Ihr denn?«
Der Bauer untersuchte das Joch noch einmal, nahm es hoch,
drehte es um und spuckte wieder aus. »Ich gebe Euch eine
Stahlmünze und drei Kupferstücke.«
Der Kesselflicker hatte sich vor langer Zeit schon
geschworen, das erstbeste Angebot für das Joch anzunehmen,
nur um es los zu sein. Er wollte gerade einschlagen, als ihm ein
anderer Gedanke kam. Er merkte, wie warm das Armband an
seinem Handgelenk geworden war.
Darum zog er das Auge aus der Tasche und warf es auf den
Verkaufstisch: Erde. Glück!
Aus einem beschwingten Gefühl heraus beschloß Gäsil zu
feilschen. »Zwei Stahlmünzen, ein Kupferstück«, gab er
zurück. Der Bauer überlegte, wog nachdenklich den Geldbeutel
in seiner Hand und sagte dann: »Ich muß an die Aussaat gehen.
Ich gehe bis zu einer Stahlmünze und acht Kupfermünzen.«
»Verkauft!« verkündete Gäsil. Seit Jahren hatte er nicht
mehr so gegrinst wie jetzt, als er fröhlich das Joch über den
Tisch reichte und das Geld des Mannes entgegennahm. Kaum
war der Bauer gegangen, da verschwand Gäsil hinter dem
Vorhang und untersuchte das Armband genauer.
Ob es Glück brachte, fragte er sich. Es konnte Zufall oder
einfaches Glück sein. Niemand konnte beweisen, daß der
unerwartete Handel von dem Armband beeinflußt worden war.
Während Gäsil diese Gedanken durch den Kopf gingen, fiel
ihm plötzlich auf, daß Kunden von seinem Stand fortgingen.
Er zog den Vorhang zur Seite und kam nach vorne. Drei
Frauen, jede mit einem Korb voll Messer, gebrochener Nadeln
und kaputter Scharniere, wollten gerade weitergehen. Als sie
Gäsil sahen, hellten sich ihre Gesichter auf. Minuten später
hatte Gäsil genug Arbeit für den ganzen Nachmittag.
Noch zweimal an diesem Tag machte Gäsil ein Geschäft,
indem er auf seine Eingebung hörte. Als am Ende des Tages
der Rest der Menge den Platz verließ, staunte Gäsil über das
Gewicht der Münzen in dem Beutel an seinem Gürtel. Nie
hatte er so gute Geschäfte an einem Tag gemacht. Und obwohl
er es nicht erklären konnte, war er sicher, daß er alles dem
glückbringenden Armband des Zwergs verdankte. Was für ein
mächtiger Talismann das sein mußte; es konnte jeden Mann
reich machen! Es war schade, daß er es dem Zwerg
zurückgeben mußte, doch Gäsil war ein ehrlicher Mensch, und
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