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Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Titel: Drachenlanze - Die Stunde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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großzügigen Haus, in dem sie
aufgewachsen war. Sie war das einzige Kind gewesen und ihr
Vater für dortige Verhältnisse ein wohlhabender Kaufmann.
Hepsiba war über alle Maßen verwöhnt worden, und das hatte
ihr Mann jetzt zu büßen.
    Gäsil hatte mit ihrem Vater in dessen Laden geschäftlich zu
tun gehabt, als Hepsiba eingetreten war. Im gleichen Moment
hatte es vom klaren Himmel gedonnert, und ein Blitz hatte die
Dorfglocke getroffen. Das mußte einfach ein Zeichen gewesen
sein, und Gäsil war bereit. Doch er traf nie eine Entscheidung –
zumindest keine wichtige –, ohne sein >Auge< zu befragen.
    Manche Leute hatten Kaninchenfüße dabei. Throtianer
warfen einen ungewöhnlichen, vierseitigen Würfel, den sie
>das Auge< nannten. Im Prinzip war es dasselbe, als wenn man
die Zukunft aus den Karten las, nur schneller. Jede Seite des
Auges entsprach einer Facette des Schicksals. Das stetige,
fruchtbare Element Erde symbolisierte Glück; das schwere,
behindernde Wasser Pech; Luft bedeutete eine Chance, weil sie
sich immer verändert. Feuer stand für Tod. Gäsil hatte noch nie
Feuer geworfen, doch er hatte mal einen Mann gekannt, dem
das passiert war. Der arme Kerl drehte daraufhin vor Angst
durch und stürzte sich von einer Klippe. Die Prophezeiung
hatte sich bewahrheitet.
    An dem Tag, als er um Hepsibas Hand anhielt, hatte Gäsil
das Symbol für Erde geworfen
– Glück. Da es keine
anderweitigen Bewerber gab und sie nicht mehr die Jüngste
war, hatte sie sich sofort einverstanden erklärt. Schon am
Nachmittag waren sie verheiratet gewesen.
    Bereits Stunden nach der Hochzeit begann Gäsil, sich zu
fragen, ob er das Auge nicht vielleicht irgendwie falsch
interpretiert hatte, denn Hepsiba erwies sich körperlich wie
charakterlich als reizlos. Statt dessen war sie mißtrauisch,
selbstsüchtig und eingebildet. Aber viel schlimmer noch für
Gäsil war ihre Fähigkeit, jedem die Laune zu verderben und
alles Schöne häßlich erscheinen zu lassen. Er machte sich keine
Illusionen über sein Aussehen mit seinen fahlen Haaren, seinen
groben Knochen und seinen großen Füßen, doch er hatte ein
gutes Herz und immer ein Lächeln auf den Lippen. Er war
davon überzeugt, daß sie auch seine guten Seiten erkannt hätte,
wenn ihr irgend etwas anderes als Geld wichtig gewesen wäre.
    Obwohl er so unglücklich war, glaubte Gäsil daran, daß es
einen Grund gab, warum das Schicksal ihn und Hepsiba
zusammengeführt hatte. Er hoffte nur, daß sie ihn lange genug
am Leben lassen würde, bis er es entdeckte.
    Deshalb verbrachte er viel Zeit auf den Straßen und
reparierte, was kaputt war, wo auch immer das sein mochte. Er
reiste den Festen nach, und in Solace fand das erste und
vielleicht beste Fest des Jahres statt. In jeder Stadt blieb er bis
zu einer Woche, wenn die Geschäfte gut gingen. Manchmal
war er bis zu sechs Monaten am Stück unterwegs, besonders
wenn das Wetter gut und die Leute freundlich waren, wie
dieser geschwätzige, kleine Kender, der ihn vor den
Hobgoblins gerettet und ihm geholfen hatte, seinen Wagen aus
dem Graben zu ziehen. Das Kerlchen war der am wenigsten
lästige Kender, den Gäsil je getroffen hatte.
    Kurz nach Mittag erreichte Gäsil die Abbiegung nach Solace
am Südende des Krystallmirsees. Er lenkte Bella nach rechts,
und der Karren rollte auf die alte Steinbrücke über den Solacer
Bach zu. Dort wurde der Verkehr dichter. Gäsil nickte grüßend
dem Fahrer eines Wagens aus der Gegenrichtung zu.
    Vor ihm betraten gerade zwei Wanderer die Brücke. Sie
schienen ziemlich in Eile zu sein. Ihr eiliges Tempo wurde von
dem Kleineren der beiden angegeben, einem Zwerg mit schon
reichlich grauen Haaren und einem überaus finsteren
Gesichtsausdruck. Der andere, der die schönen, weichen Züge
eines jungen Elfen hatte, ging beschaulicher. Beim Gehen
wandte er sein Gesicht dem Zwerg zu, und es hörte sich an, als
würde er vergeblich versuchen, seinen Gefährten zu beruhigen.
Der Gesichtsausdruck des Zwergs blieb versteinert, sein Blick
ging stur geradeaus.
    »Da kommt jemand den Weg vom Düsterwald. Vielleicht
hat der ihn gesehen und kann uns sagen, ob wir überhaupt die
richtige Richtung einschlagen«, hörte Gäsil den Zwerg sagen,
bevor der zum Wagen des Kesselflickers rannte. Gäsil zog an
Bellas Zügeln, bis sie stehenblieb.
»Entschuldigt mich«, rief der Zwerg, »aber habt Ihr heute
morgen unterwegs einen Kender getroffen?«
    Gäsil war überrascht. »Ja, hab ich, warum? Ein

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