Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Titel: Drachenlanze - Die Stunde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
Vom Netzwerk:
seines Wagens packen
sollte, doch der Wagen hinter dem Stand war unbeaufsichtigt.
Da war sein eigenes Handgelenk seiner Meinung nach doch
noch sicherer. Er schob das kühle, leuchtende Metall über seine
Hand und an sein knochiges Gelenk.
    Die Marktbesucher hatten ihn bald bemerkt. Einige
bedauerten, daß sie ohne ihre kaputten, reparaturbedürftigen
Sachen gekommen waren, aber viele versprachen, daß sie mit
ihren stumpfen Messern, undichten Töpfen und anderen
Kleinigkeiten zurückkommen würden. Die Bewohner von
Solace holten sie von zu Hause, die anderen Händler von ihren
Wagen. Bald hatte Gäsil reichlich Arbeit. Die dicke Nadel und
der grobe Faden flogen praktisch in seinen Händen, als er altes,
abgetragenes Leder mit neuem vernähte. Große und kleine
Klingen glänzten im Sonnenschein, nachdem Gäsil sie schnell
und gekonnt über seinen Schleifstein gezogen hatte. Er flickte
drei lecke Holzeimer, band neues Stroh an einen etwas dünnen
Besen und verkaufte in nur drei Stunden fast die Hälfte seines
Vorrats von vierzig Flaschen Kiefernölseife.
    Als er gerade seinen Schleifstein für das nächste
Messerschärfen einölte, rutschte ihm das schmierige Glas aus
der Hand, wodurch ihm stinkende, schwarze Schmiere über
Gesicht und Hände spritzte. Er schnappte sich ein sauberes
Tuch und wischte die Bescherung weg, so gut es ohne Wasser
und Seife ging. Da er mehrere Tropfen auf dem Armband
entdeckte, wischte er es an seiner Hose ab und schob es dann
bis unter den zusammengerafften Ärmel seiner Tunika hoch.
    Es war schon später Nachmittag, doch der Markt würde erst
in ein paar Stunden für die Nacht schließen. Gäsil saß auf
einem Stuhl und hatte sein Kinn in die Hände gestützt,
während er die Leute am Stand vorbeiziehen sah. Aus dem
Augenwinkel nahm er rechts die verhüllte Gestalt einer jungen
Frau wahr, die ihn von der anderen Seite des Hauptdurchgangs
aus beobachtete. Als sie merkte, daß er sie gesehen hatte,
durchquerte die Frau den Besucherstrom und kam zum Stand.

Große, meerfarbene Augen sahen Gäsil unter einem
großzügigen Seidenschal heraus an, der so geschickt um ihren
Kopf gewickelt war, daß man nur ihr blasses, fast milchweißes,
faltenloses Gesicht sehen konnte. Eine winzige, weißsilberne
Haarsträhne lugte an der rechten Schläfe hervor. Ihr
feingewebter Mantel, der mit einer Schnur am Hals
zusammengehalten wurde, floß wie eine weiche, tiefblaue
Wolke von den Schultern bis zu den Knöcheln.
    »Verzeiht mir, daß ich Euch angestarrt habe«, setzte sie an,
und ihre leise Stimme klang so beruhigend wie Wellen, die an
den Stand schlagen, »aber ist das nicht der Stand von Flint
Feuerschmied?«
    Gäsil hörte auf, sie seinerseits zu mustern. »Ja, das war er –
ich meine, ist er, aber Flint mußte, ahm, unerwartet die Stadt
verlassen.«
Die Frau wirkte sehr besorgt. »Die Stadt verlassen? Für wie
lange?«
    Gäsil war die Sache peinlich. »Tja, das weiß ich nicht. Er
könnte heute noch zurückkommen, vielleicht aber auch erst in
einer Weile…« Der Kesselflicker hatte wirklich keine Ahnung,
wie bald der Zwerg den Kender einholen würde
– wenn
überhaupt.
    »In einer Weile?« Die Augen der Frau verengten sich
wütend. »Aber er sollte sich hier mit mir treffen.« Sie sah aus,
als würde sie gleich in Panik ausbrechen.
    »Seit Ihr eine Freundin von ihm?« Vielleicht kann ich Euch
helfen?« bot Gäsil freundlich an, weil er angesichts ihrer
offensichtlichen Bedrängnis Mitleid hatte.
    Die ungewöhnliche Frau drehte sich zur Seite und wischte
sich mit der Hand, über der sie einen Handschuh trug, den
Staub von ihrem blassen Gesicht. »Nein, das bin ich nicht. Und
ich glaube nicht, daß Ihr mir helfen könnt… Das kann keiner
außer Meister Feuerschmied. Ich komme später wieder.« Bevor
Gäsil antworten konnte, drehte sich die Frau um und
verschwand in der Menschenmenge vor dem Stand.
    Gäsil stand da und schüttelte traurig den Kopf. Etwas an der
exotisch aussehenden Frau hatte ihm ans Herz gerührt.
Etwas rührte sich auch an seinem Handgelenk. Ohne
ersichtlichen Grund fühlte Gäsil das Armband an seinem
Handgelenk warm werden. Ihm wurde
– ebenfalls ohne
ersichtlichen Grund – ganz schwindelig. Dann wurde ihm flau
im Magen und anschließend richtig übel. Aber dieses Gefühl
ging gleich vorbei.
Zu seinem großen Erstaunen stellte Gäsil fest, daß er seinen
Karren anschaute, obwohl der doch hinter ihm auf der anderen
Seite des Vorhangs stand, und obwohl seine

Weitere Kostenlose Bücher