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Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Titel: Drachenlanze - Die Stunde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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säuerliche junge Mann Gäsils Eier brachte, deren
zerlauf ene Eigelbe in wäßrigem, ungekochtem Eiweiß
schwammen, konnte der Kesselflicker bereits den nächsten
Krug vertragen. Er bestellte gleich zwei, damit er möglichst
wenig mit dem Kellner zu tun bekam.
»Wann geht die Vorstellung los?« fragte Gäsil.
»Mir doch egal.« Der junge Mann ging zur Bar zurück.
Gäsil sah auf seinen Teller. Ein Kanten schimmliges Brot
schwamm in den Eiern. Er riß den pelzigen Teil ab und tunkte
die guten Teile in das Eiweiß. Wenn er einen Bissen im Mund
hatte, kaute er nur kurz und schluckte dann sofort, um
möglichst wenig zu schmecken. Zum Glück hatte er eine
Pferdenatur und war lausiges Essen gewöhnt. Kochen war
nicht Hepsibas starke Seite, falls sie überhaupt eine hatte. Gäsil
schnaubte, wobei ihm Bierschaum in die Nase drang. Kurz
nach seiner Hochzeit war er zum letzten Mal in einer Kneipe
gewesen. Hepsiba wäre auf keinen Fall einverstanden, wenn sie
ihn jetzt sehen könnte. Dieser Gedanke und das Bier bewirkten,
daß es ihm immer besser ging.
Während er noch über seine Lage nachdachte, kletterte ein
kleiner, fetter Mann in einem fast platzenden, grellgrünen
Samtmantel mit goldenen Schnallen und Knöpfen auf ein paar
Heuballen neben der Bar. Seine Knollennase wirkte in dem
feisten Gesicht genau am richtigen Platz und glänzte genauso
wie sein kahler Kopf im Licht. Er zupfte ständig an den
Vorderzipfeln seines Mantels, womit er seine ansonsten
eingebildete Haltung Lügen strafte.
Ohne Überleitung begann der Mann, eine Geschichte zu
erzählen. Die Leute beachteten ihn kaum – nicht weil er in dem
lauten Zelt schwer zu verstehen war, sondern weil die
Geschichte anscheinend absurd war.
»Ich habe tatsächlich mit dem Schwein geredet«, schloß er
mit erwartungsvollem Blick mit der Pointe jenes uralten
Witzes. Der Geräuschpegel schwoll an, und Buhs und Pfiffe
vertrieben den Mann von seiner kleinen Bühne.
Der unglückliche Barde hielt zunächst den Kopf noch hoch
erhoben, als er zu seinem Tisch zurückmarschierte, der nahe
bei Gäsils stand, dann zog er den Schädel allerdings vor den
verschimmelten Brotkrusten ein, die an ihm vorbeiflogen. »Ein
Haufen ungehobelter Schnösel«, murmelte Sir Delbridge. Als
er seine Sachen in seinen Sack räumte, blitzten an fast allen
seiner dicken Finger Ringe auf. Das Hohngeschrei verwandelte
sich in Pfiffe, als eine attraktive junge Frau in einem engen
Kleid auftrat und gnadenlos schief zu singen begann.
»Wie war’s mit einem Krug Bier, Sir?« rief Gäsil ihm durch
den Lärm zu. »Ihr seht so aus, als wenn Ihr einen vertragen
könntet.«
Delbridge Fidington hatte den Grundsatz, keine Einladung
auszuschlagen. »Danke, guter Herr«, sagte er mit einem
Nicken. Er ließ seine umfangreiche Gestalt auf den Stuhl neben
dem Kesselflicker plumpsen. »Ich fühle mich etwas ausgedörrt.
Auftreten strengt einen so an.«
»War das Euer erster Auftritt auf einer Bühne?« fragte Gäsil,
der mit einem Bissen des alten, schimmligen Brotes kämpfte.
Er hatte den Auftritt des Barden nicht so schlecht gefunden wie
die anderen Leute, aber schließlich kannte er sich mit Barden
auch nicht aus.
Delbridge sah beleidigt aus. »Gütiger Himmel, nein. Ihr habt
doch bestimmt schon von Sir Delbridge Fidington gehört?
Meinen Titel hat mir Königin Wilhelmina von Tarryn
persönlich verliehen – für treue Dienste als Hofbarde.«
»Oh«, schluckte Gäsil. »Ich komme selten über Abanasinia
hinaus und höre wenig Barden. Ich glaube kaum, daß ich je
von Tarryn, geschweige denn Königin Wilhelmina, gehört
habe.«
»Das ist ein kleines, aufstrebendes Königreich in, äh, den
östlichen Staubebenen.« Delbridge tat die Sache mit einem
Wink ab, mit dem er gleichzeitig den Kellner rief.
»Mein neuer Freund hier besteht darauf, mir etwas zu trinken
zu spendieren«, sagte Delbridge glücklich zu demselben dicken
Burschen, der Gäsil bedient hatte. »Einen Krug von Eurem
besten Glühwein, guter Mann.« Um sich Arbeit zu sparen, war
der Kellner dazu übergegangen, gleich volle Krüge
mitzunehmen. Einen stellte er vor dem Barden auf den Tisch.
Delbridge sah verächtlich über den Rand des Krugs. »Aber
das sieht doch aus wie – «
»- Bier. Ist es auch.« Damit verschwand der Mann.
Gäsil lächelte verlegen. »Ich fürchte, das ist alles, was es
hier gibt. Nach den ersten paar Schlucken ist es gar nicht so
schlecht.«
Delbridge nahm mit skeptischem Gesicht einen Schluck, an
dem er fast erstickte.

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