Drachenlanze - Finstere Pläne
entzog.
Er konnte nicht hoffen, das verängstigte Tier zu erwischen.
Wenn der Zwerg und der Halbelf nicht irgendwie entwischt
waren und sich in Mäuse verwandelt hatten, wußten jetzt noch
zwei Leute, daß er das Armband hatte. Und es gab zwei
andere: die Frau und den Kender, die seinem Netz entkommen
waren! Der Zwerg und der Halbelf saßen sicher ;m
Burgverlies. Hatte das Schattenmonster seinen Auftrag
bezüglich der anderen beiden nicht erfüllt? Konnten sie
mächtig genug sein oder so viel Glück haben und ihm
entkommen?
Und was noch schlimmer war, sie hatten zweifellos sein
Gespräch mit Hiddukel mitgehört. Auch wenn sie keine klare
Vorstellung haben konnten, wo der Altar war, konnten Wesen
mit der Fähigkeit, sich zu verwandeln, dessen Lage zweifellos
entdecken. Um sicher zu sein, mußte er zum Altar, die
Übergabe vollziehen und sofort Ladonnas Platz in der
Versammlung übernehmen, wodurch er über dem Einfluß jedes
Provinzzauberers in Tantalion oder sonstwo stehen würde.
Balkom bereitete sich so schnell wie möglich auf seine
Abreise vor, doch zwei Fragen brannten in seinen Gedanken
wie eine unlöschbare Flamme.
Wer waren die Frau und der Kender, und wieviel wußten
sie?
Kapitel 5
Die Jagd
Nachdem sich Selana wieder in einen Sperling verwandelt
hatte, versteckte sie sich und sah zu, wie Balkom von einem
Sims vor seinem Fenster sprang. Das Armband an seinem
Handgelenk war deutlich zu erkennen. Offenbar mit Hilfe eines
Flugzaubers schwebte er dicht über die Baumwipfel im Norden
des Dorfes davon und verbarg sich dann in den grauen Wolken,
die seit dem Morgen tief am Himmel standen. Anscheinend
wollte er tiefer in die Berge hinein, wobei er dem Ufer des
großen Gebirgsf lusses folgte, der die Klamm zwischen dem
Schloß und dem stillen Örtchen Tantallon geformt hatte.
Selana wartete zwei Minuten, dann flog sie ihm hinterher,
wobei sie einen Abstand ließ, der sie hoffentlich außerhalb der
Reichweite eines möglichen Erkenntniszaubers hielt.
So nah! Sie hatte das Armband in den Zähnen gehalten!
Beim Gedanken daran blutete ihr das Herz.
Die Meerelfin fühlte einen Anflug von Schuld, weil sie Flint
und Tanis im Gefängnis zurückließ. Der Zwerg, der von der
väterlichen Sorte war, schien
– trotz seiner gelegentlichen
Knurrigkeit – einer der nettesten Leute zu sein, die sie
kennengelernt hatte, seit sie an Land war. Sie nahm an, daß viel
von dem Gemaule nur Getue und Schau war, denn er bemühte
sich offenbar wirklich darum, das Armband
wiederzubeschaffen. Es tat ihr leid, ihn seinem Schicksal
überlassen zu müssen.
Der Halbelf war etwas anderes… So jemanden hatte sie noch
nie zuvor kennengelernt. Feuer und Eis. Aufreizend.
Ungeduldig. Fesselnd… Eine mächtige Flamme, die aus seiner
Seele genährt wurde, brannte in seinen Augen. Er war ein
junger Mann, der von Extremen getrieben wurde, von den
besten und den schlimmsten Leidenschaften. Aus irgendeinem,
für sie unerklärlichen Grund schien sie das Schlimmste in ihm
zu wecken, was sie traurig machte.
Sie wußte, ihre Verantwortung galt ihrem Bruder und ihrem
Königreich, und wenn sie Balkom nicht sofort folgte, ehe die
Wirkung des Tranks zu Ende war, würde der böse Magier
entkommen, und das, wofür sie alle gekämpft hatten, würde
verloren sein.
Mit etwas Glück würde es dem Kender gelingen, seine
Freunde zu retten. Er schien jedenfalls zu der Sorte zu gehören,
die immer auf den Füßen landete, egal wie aussichtslos die
Situation wirken mochte. Der Kender war erfinderisch und
unerschrocken, auch wenn dem noch etwas entgegenstand.
Unverantwortlich war nicht ganz das richtige Wort, dachte sie.
Er ließ sich leicht ablenken. Sie hoffte, er würde seinen
Freunden helfen können, und sie fand, daß sie in dieser
Hinsicht kaum etwas anderes tun konnte als hoffen.
Hoffnung schien auch der Hauptbestandteil ihrer
augenblicklichen Strategie zu sein. Denn hoffentlich hielt ihr
Trank lange genug an, um Balkom zu folgen. Hoffentlich
würde sie vor Ablauf der Wirkung rechtzeitig genug gewarnt,
damit sie den Erdboden ohne Schaden erreichen konnte.
Hoffentlich war Balkom sich nicht darüber im klaren, daß er
verfolgt wurde. Und hoffentlich konnte sie ihm das Armband
auch abnehmen und damit entkommen.
Unterwegs schienen sie ständig demselben Tal zu folgen. Sie
waren noch nicht von dem Hauptstrom des Flusses durch
Tantalion abgewichen. Wenn ich ihn aus irgendeinem Grund
verliere, beschloß Selana, dann werde ich diesem Fluß weiter
folgen.
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