Drachenlanze - Ungleiche Freunde
er.
»Arelas war der jüngste von den drei Brüdern. Solostaran
war natürlich der älteste. Kethrenan war viele Jahre jünger, und
Arelas nur wenige Jahre jünger als Kethrenan. Arelas wurde
schon als ganz kleines Kind vom Hof fortgeschickt - angeblich,
weil er kränklich war und hier nicht gedieh«, berichtete Miral.
»Man schickte ihn zu ein paar Klerikern bei Kar-god, mehrere
Wochen Reise nördlich von hier, durch die Berge und über die
Straße von Schallrneer. Kurze Zeit davor war ich als
Zauberlehrling in die gleiche Gegend gekommen.
Man möchte meinen, daß zwei Elfen, die in einer
Menschenstadt leben, leicht Freundschaft schließen, schon aus
Einsamkeit«, fuhr Miral fort. »Aber so war es nicht. Wir lebten
jahrelang in der Nähe derselben Stadt, begegneten uns auf dem
Marktplatz und nickten uns zu, ohne je ein Wort zu wechseln.
Er ging nie wieder heim nach Qualinost. Ich ging nie wieder
heim nach Silvanost.« Er machte eine Pause, während der
Tanis seinen Freund regelrecht nach den richtigen Worten
suchen hören konnte. Als sie an einer Tür vorbeikamen, trat
gerade Lord Xenoth, der alte Berater der Stimme, mit
wehender, silbergrauer Robe heraus, ging jedoch ohne Gruß an
ihnen vorbei.
»Xenoth hat mich von Anfang an abgelehnt«, murmelte
Miral. »Warum, weiß ich nicht. Ich habe ihm nie etwas getan.
Ich bin auch bestimmt keine Bedrohung für seine Stellung am
Hof, und etwas anderes scheint ihn ja nicht zu kümmern.«
Sie kamen an einem Fenster vorbei, einem senkrechten
Schlitz im Quarz, und Tanis wich einem großen Farn aus.
»Aber irgendwann habt Ihr Arelas kennengelernt«, hakte er
nach.
Miral bog rechts ab, und sie stiegen die breiten Steinstufen in
den Hof hinunter. »Wir haben uns durch eine Magie
kennengelernt. Eines Tages brach Arelas auf dem Marktplatz
von Kargod zusammen. Er war ein schwächlicher Elf. Ich war
gerade in der Nähe und eilte ihm zur Hilfe. Ich kenne viele
Sprüche, um kleinere Unpäßlichkeiten zu lindern, auch wenn
ich kein richtiger Heiler bin, wie du wohl weißt.« Tanis wollte
eilig Einspruch erheben, doch Miral wehrte seine höflichen
Versicherungen mit einer seiner typischen Gesten ab. Der
Halbelf schwieg. Miral war wirklich kein bedeutender
Zauberer, aber seine freundliche Art und seine Zugänglichkeit
hatten ihn ziemlich beliebt gemacht.
»Jedenfalls«, erzählte Miral, »konnte ich Arelas' Schmerzen
lindern und habe ihn in den Tagen danach oft besucht. So
wurden wir schließlich Freunde.«
Sie waren an der zweiflügeligen Tür angekommen, durch die
man den Hof betreten konnte. Die Tür war aus poliertem Stahl
- was sie in einer Zeit, wo Stahl durch die ständige Drohung
des Krieges wertvoller war als Gold und Silber, doppelt kostbar machte. Jeder Flügel war so hoch wie zwei Elfen
übereinander und so breit wie einer, auch wenn aufgrund der
Kunst der Elfenhandwerker jeder Elf, egal wie schwach, die
Türen aufdrücken konnte. Tanis machte eine auf. Das reichte,
um zu sehen, wie Tyresian draußen hochmütig an einer Säule
lehnte. Miral trat in die Schatten zurück, woraufhin der Halbelf
die Tür wieder zuschwingen ließ.
»Wie seid Ihr dann nach Qualinost gekommen?« fragte
Tanis. »Und was ist aus Arelas geworden?«
Miral schlug die Kapuze vom Gesicht zurück. »Vielleicht
sollte das bis zum nächsten Mal warten. Es ist nicht die
schönste Geschichte, wenn sich zwei Freunde trennen.« Aber
bei Tanis' Blick fuhr er fort: »Arelas beschloß, Qualinost zu
besuchen und bat mich, ihn zu begleiten. Ich hatte immer schon
die westlichen Elfenländer sehen wollen, darum war ich
einverstanden. Wir hätten bestimmt in Qualinost, bei Hof, um
eine Eskorte bitten können, aber Arelas wollte Qualinesti
unerkannt betreten - warum, habe ich nie herausgefunden. Er
war in vielerlei Hinsicht ein Geheimniskrämer.
Es war in den unruhigen Zeiten in den frühen Jahrhunderten
nach der Umwälzung. Räuberbanden waren auf den
Fernstraßen nicht selten. Aber Arelas versicherte mir, daß wir
in unserer kleinen Reisegruppe sicher wären.«
Miral ließ den Kopf hängen. Er schien um Atem zu ringen.
Tanis war von der Erzählung fasziniert, doch er wünschte, er
hätte den Magier nicht gebeten, ein offensichtlich
schmerzhaftes Erlebnis wieder aufzuwärmen.
Schließlich seufzte der Zauberer. »Arelas hatte unrecht. Wir
segelten sicher von Kargod nach Abanasinia und reisten ohne
Zwischenfall eine Woche über Land. Aber eine Tagesreise
hinter Solace, bei Torweg, wurde unsere kleine Reisegruppe
von
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