Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
Verwandten reagierten mit empörten Blicken auf die Ehre, die einer einstmals so unwichtigen Person erwiesen wurde. Mit einem weiteren Lächeln und einem Nicken steuerte Linden Maurynna von ihnen weg, bevor sie ihre Ehrfurcht vor ihm verloren und ihre gierigen Zungen wiederfanden.
Sie fanden eine kleine Bank in einer isolierten Ecke des Raums. Maurynna ließ sich mit einem Seufzer, der aus gleichen Teilen aus Müdigkeit und Ärger bestand, darauf nieder. Sie hatte eine sehr entschlossene Miene aufgesetzt. Linden hielt es für das beste, nichts zu sagen; statt dessen bot er ihr den Teller an. Maurynna warf dem Bissen kaum einen Blick zu und griff nach einem kleinen Törtchen. Bevor er sie aufhalten konnte, hatte sie hineingebissen und kaute, wobei sie grimmig vor sich hinstarrte.
Linden wurde klar, daß es schlimmer sein mußte, als er angenommen hatte. Denn das Törtchen, das sie gewählt hatte, hatte als Füllung Marzipan, das Maurynna eigentlich überhaupt nicht mochte. Aber dort saß sie und bemerkte nicht einmal die zu süße, klebrige Füllung, die ihr normalerweise Übelkeit verursachte.
Er entschied, es wäre das Sicherste, sie nicht daraufhinzuweisen. Es würde ihre Laune absolut nicht verbessern.
Phönix, tat ihm der Hintern weg! Er war noch nie zuvor so lange geritten. Aber im Grunde störte Liasuhn sich nicht daran. Er war auf seinem Weg zum Wohlstand! Nun, er mußte zugeben, daß das nicht gleich geschehen würde – aber vielleicht eines Tages. Eines Tages würde er genug Geld haben, um in den besten Gasthäusern zu essen und die besten Bordelle aufzusuchen, wie es Kwahsiu und Nalorih taten.
Dann überfielen ihn plötzlich Zweifel. Er lenkte sein Pferd neben das von Kwahsiu und fragte: »Wird dieser Kaufmann, für den Ihr arbeitet, sich auch nicht daran stören, daß Ihr mich mitnehmt?«
Kwahsiu wandte sich ihm zu, sein allgegenwärtiges Grinsen noch breiter als zuvor. »Ganz bestimmt nicht«, sagte er. »Nein, man hat uns gesagt, wir sollten die Augen nach einem Burschen, der brauchbar aussieht, aufhalten. Unser Herr wird entzückt sein, dich zu sehen. Vollkommen entzückt.«
Liasuhn spürte ein warmes Glühen tief drinnen und fiel wieder an seinen angemessenen Platz zurück. Ihm standen zweifellos große Dinge bevor.
Und eines Tages würde er in seine kleine Flußstadt zurückkehren und sie alle verblüffen, o ja. Lächelnd ritt er weiter, versunken in einen glücklichen Tagtraum, und vergaß seinen schmerzenden Hintern.
24. KAPITEL
Raven erwachte am Morgen nach dem Willkommensfest mit einem Mund, der sich anfühlte wie der Boden einer Dunggrube. Vorsichtig setzte er sich aufrecht hin.
»Oh«, stöhnte er – aber leise, sehr leise. Dennoch wäre sein Kopf beinahe geplatzt.
Mit halb zugekniffenen Augen tastete er nach dem Wasserkrug am Bett und goß ein wenig davon in den Becher daneben. Er trank gierig. Das löschte den größten Teil seines Durstes, aber sein Mund fühlte sich immer noch an, als hätten winzige Drachen darin genistet.
»Bah«, sagte er und schwang die Beine aus dem Bett. Der weiche Teppich stach nach seinen Füßen, und sein Kopf pulsierte. Raven saß da und tat sich schrecklich leid.
Dann fiel es ihm wieder ein, und sein schmerzender Kopf kam ihm plötzlich wie reines Vergnügen vor.
Denn heute mußte er nach Hause zu seiner Familie gehen. Zu seinem Vater. Vielleicht würde er aber auch vorher an seinem Kater sterben.
Nein, dachte er finster. Solches Glück werde ich nicht haben.
Mühsam kam er auf die Beine und taumelte zu dem kleinen Badezimmer. Es würde lange dauern, sich darauf vorzubereiten.
Als ob er jemals vorbereitet sein könnte.
Als Raven endlich die Treppe herunterkam, näherte sich ihm ein Diener. Der Mann gab ihm einen vielfach gefalteten Pergamentstreifen. Neugierig griff Raven danach und drehte ihn um; es gab kein Siegel, das den Absender erklärt hätte. Er warf dem Diener einen fragenden Blick zu.
»Es ist vor kurzer Zeit für Euch abgegeben worden, junger Herr«, sagte der Mann. »Einer der Jungen, die sich auf dem Marktplatz herumtreiben, um sich ein paar Kupferstücke zu verdienen, hat es gebracht.«
Raven öffnete den Brief und fragte sich dabei die ganze Zeit, was und wer …
Das »was« erfüllte ihn mit Erleichterung. Er las: Dein Vater und dein Bruder sind in der Weberstraße, und es sieht so aus , als würden sie noch einige Zeit dort bleiben. An Deiner Stelle würde ich Deine Mutter jetzt aufsuchen.
Das »wer« bewirkte,
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