Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
verwirrten Blick mit Maurynna, bevor er sich umsah und feststellte, daß die anderen ebenso erstaunt dreinschauten wie er. Nun lachte Jekkanadar laut. »Es tut mir leid, ihr wißt es selbstverständlich nicht. Ich kann auch nur raten, aber … es gibt ein uraltes Wort im Assantikkanischen, so alt, daß ich es beinahe vergessen hätte. A’mhausloc. Selbst als ich jung war, wurde es kaum mehr verwendet. Hundert Jahre vor dem Krieg der Hexenkönige, als die Priester und Priesterinnen der Göttin Kirakki für die Justiz zuständig waren, gab es in jedem Tempel einen heiligen Bereich, der eine Art Zuflucht darstellte – genannt A’mhausloc. Alle Streitigkeiten wurden zu den Priestern gebracht, alles von einem Streit über den Besitz eines Schweines bis zu Grenzkriegen zwischen zwei Adligen. Jedenfalls standen auf dem A’mhausloc-Gebiet Gebäude, die jeder Kläger benutzen konnte, ganz gleich von welchem Rang er war. Schweinehirt oder Herzog, vor Kirakki waren alle gleich. Man konnte selbstverständlich auch in einem Gasthaus bleiben, aber dort riskierte man nur, ein Messer zwischen die Rippen zu bekommen. Nur auf dem A’mhausloc war man wirklich in Sicherheit. Genauer gesagt war man das, bis der hohe Priester Hannakulan seine Macht als Kirakkis Richter auf Erden zur persönlichen Bereicherung benutzte. Das führte schließlich zur Zerstörung der Tempel und bereitete das Feld für die Kriege. Es war«, meinte Jekkanadar, »eine sehr finstere Zeit.«
Taren meinte nachdenklich: »Die Zharmatianer haben eine Göttin namens K’rahi; sie hat etwas mit ihren Sehern zu tun. Es sieht so aus, als wären auch, was sie angeht, Gedanken und Worte zwischen Jehanglan und Assantikk hin und her gereist. Glaubt Ihr nicht?«
»Wirklich?« meinte Jekkanadar, und seine Augen blitzten vor Interesse. »Wir werden uns später unbedingt darüber unterhalten müssen. Aber laß mich raten, Maurynna«, fuhr er fort, »jeder Gast, der in einem Mauseloch wohnt, ist vollkommen geschützt, nicht wahr?«
Maurynna nickte. »Selbst wenn er der schlimmste Feind eines Handelshauses wäre – sobald das Oberhaupt ihn als Gast im Mauseloch aufnimmt, darf man ihm nichts tun.« Sie legte den Kopf schief. »Ich habe mich immer schon gefragt, wieso die Gästehäuser so genannt wurden. Aber nun verstehe ich es; im Thalnischen gibt es eine Menge ehemaliger assantikkanischer Wörter.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Aber was für eine Albernheit man aus dem armen Wort gemacht hat!«
»In der Tat«, erwiderte Jekkanadar. »Es entstand in Würde zu Zeiten, von denen nur die Götter wissen, wie lange sie vergangen sind, und fiel dann dieser dummen Angewohnheit der Thalnier zum Opfer, Worte zu verdrehen.«
Maurynna zog eine Grimasse.
»Ebenso wie eine ganze Wagenladung aus jeder anderen Sprache, die ich je gehört habe«, neckte Linden sie weiter und zupfte an einer von Maurynnas Locken, erfreut, daß ihre finstere Stimmung zumindest im Augenblick vergangen war.
Für ein Fest, das so kurzfristig zustande gekommen war, ließen es die Erdons wirklich an nichts fehlen, dachte Linden.
Das Große Haus war eines der schönsten, größten und am besten ausgestatteten Gebäude, die er je betreten hatte; auch ein Herzog hätte nicht schlechter wohnen können. Schon der kleinere der beiden Festsäle hätte leicht doppelt so viele Menschen aufgenommen wie jene, die so kurzfristig hatten kommen können.
Linden stand an einem Tisch, der mit Speis und Trank beladen war, und wartete, während ein ehrerbietiger junger Diener ihm einen Kelch mit Wein füllte. Unter dem Adlerauge des Haushofmeisters bot der Junge ihm den Kelch in angemessener Weise dar, die linke Hand darunter, den rechten Daumen und Zeigefinger am Stiel, gerade fest genug, um das Gleichgewicht zu halten.
Linden nahm ihn entgegen. »Ich danke dir, Junge«, sagte er.
Der Junge strahlte; dann spürte er den eisernen Blick des Haushofmeisters und erwiderte: »Es ist mir eine Ehre, Euer Gnaden. Darf ich Euch sonst noch etwas anbieten?« Er zeigte auf die unzähligen Tabletts mit leckeren kleinen Bissen und Gebäck.
Selbst für ein improvisiertes Bankett wie dieses hatten die Erdons viele Möglichkeiten und, wie Linden dachte, hervorragend ausgebildete Köche. Nachdenklich betrachtete er, was ihm angeboten wurde, dann warf er einen Blick über die Schulter.
Es war, wie er befürchtet hatte: Eine weitere Gruppe von Verwandten hatte Maurynna in die Ecke gedrängt, und alle redeten gleichzeitig auf sie ein.
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