Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
fächelte. Sie lag mit geschlossenen Augen halb dösend da und seufzte zufrieden. Es war ein vollkommener Augenblick. Murohshei hatte recht gehabt; das hier war ein guter Platz, um zu warten.
Denn als Xiane die Botschaft erhalten hatte, die sie ihm an diesem Morgen gesandt hatte … Shei-Luin lächelte in stillem Triumph. Sie hatte recht gehabt, an diesem Morgen zum Palasttempel zu gehen und mit der Botin der Riya-Akono zu sprechen. Eine Botin konnte einer schwangeren Frau nicht immer sagen, ob sie einen Sohn oder eine Tochter zur Welt bringen würde, aber wenn die Botin – das nächste an einer Priesterin, das in Jehanglan möglich war – es tat, hatte sie beinahe immer recht.
Dann erhob sich eine Stimme zu einem leisen Lied, so schön, daß es beinahe schien, als schwiegen selbst die Vögel vor Ehrfurcht. Auch der Wind hörte auf, in den Blüten zu spielen. Shei-Luin hielt den Atem an und lauschte.
Das Lied wurde lauter, als der Sänger näher kam. Es war eine alte Ballade, ein wenig melancholisch, über einen jungen Mann, dessen Herzallerliebste kaum wußte, daß es ihn gab.
Der Fächer hörte auf, sich zu bewegen. Überrascht blickte Shei-Luin auf.
Murohshei ließ den Blick unruhig durch den Garten schweifen. Einen Augenblick lang war Shei-Luin selbst nervös, dann sah sie, wie Murohshei den Mund zu einem winzigen, hoffnungsvollen Lächeln verzog. Sie hob den Kopf hoch genug, um zu sehen, was ihren Eunuchen so erfreute.
Es war Zyuzin, der Singvogel, der unter den Pfirsichbäumen einherschlenderte und dabei sang. Er hatte den Blick züchtig wie eine Jungfrau niedergeschlagen; wenn er an den Blüten vorbeikam, berührte er sie mit den Fingern einer Hand, so leicht wie ein Schmetterling, wie das Streicheln eines Geliebten. In der anderen Hand trug er sein Zhansjen.
Noch während Shei-Luin zusah, blieb Zyuzin plötzlich stehen, drückte die Hand an die Brust und riß die Augen weit auf, als wäre er verblüfft, sie zu sehen. Er war wirklich ein guter Schauspieler. Nur seine Grübchen verrieten ihn.
Shei-Luin setzte sich und winkte ihn zu sich. Noch einmal senkte der Singvogel bescheiden den Blick – aber nicht, ohne zuvor Murohshei anzusehen. Dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, und sein rundes Gesicht strahlte wie der Vollmond. Er kam rasch näher und verbeugte sich vor Shei-Luin als der Mutter des Erben.
»Herrin«, sagte er. Wieder erschienen die Grübchen, und diesmal blieben sie. »Darf ich für Euch spielen?«
Shei-Luin nickte und unterdrückte einen bedauernden Seufzer, daß er nicht für sie singen durfte, aber die Singvögel im Garten des Ewigen Frühlings erhoben ihre Stimmen nur für den Kaiser. Selbst dies war gewagt; einige der konservativen Minister würden nach Strafe rufen. Aber Shei-Luin kannte Xiane. Und noch besser wußte sie ihre Macht über ihn zu nutzen – eine Macht, die nur noch mehr wachsen würde, wie eine Chual-Ranke, die einen Baum überwucherte.
Also legte sie den Kopf zurück in Murohsheis Schoß und lauschte, während Zyuzin sich niederließ und die Saiten seines Zhansjen zupfte. Eine süße Melodie erklang.
»Kostbare Blüte!« ertönte eine nur zu vertraute Stimme laut hinter den Pfirsichbäumen. »Kostbare Blüte, wo bist du?«
Diesmal zuckte Shei-Luin nicht beim Klang dieser Stimme zusammen. Tatsächlich hieß sie sie willkommen. Murohshei half ihr, sich aufzusetzen; sie kniete aufrecht auf den Hacken sitzend, wie es ihr Vorrecht war. Beide Eunuchen berührten mit der Stirn den Boden. Aber ebenso wie sie durfte Shei-Luin Xiane in Gegenwart von anderen nicht direkt anschauen. Dieses Recht hatte sie nicht. Noch nicht.
Aber sie würde es bekommen. Sie blickte durch den Vorhang ihrer Wimpern und wartete.
Xiane kam in Sicht, seine Gewänder flatterten um seine langen Arme und Beine, als er auf sie zukam, ein Blatt Reispapier in der Hand. Minister folgten ihm, und auf ihren Mienen spiegelten sich unterschiedliche Grade von Verblüffung und Mißbilligung. Fürst Jhanun, bemerkte sie erfreut, war der Verärgertste von allen. Sie senkte den Kopf demütig, als Xiane vor ihr stehenblieb.
»Ist es wahr, meine Blüte?« fragte er entzückt.
Sie legte die Hände auf den Bauch. »Ja, Erlauchter Phönixherrscher. Ich habe heute früh mit der Botin gesprochen. Wenn sie recht hat, dann trage ich einen weiteren Sohn für Euch.«
Die Minister begannen, leise aufeinander einzumurmeln. Die meisten schienen erfreut – nur ein einziger Erbe konnte Ärger bedeuten; Kinder
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