Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
durch die mondbeleuchtete Wüste folgten. Eine klagende Melodie in Moll ging ihr durch den Kopf. Sie paßte so gut zu der unheimlichen, kargen Landschaft, die sie umgab, daß sie zunächst nicht bemerkte, daß sie überhaupt da war. Als sie sie hörte, bekam sie eine Gänsehaut und fragte sich, woher sie kam; sie hatte das Gefühl, als hätte sie eine Grenze in die Traumwelt überschritten, wo das Gewicht eines Seufzers die Waagschalen zwischen Alptraum und Verzauberung ins Schwanken bringen könnte.
Dann bemerkte sie, daß es Miune war, den sie hörte. Konnte dies eines der Lieder sein, die seine Eltern ihm gesungen hatten, als er sich noch im Ei befand? Wenn sie sehr genau hinhörte, schimmerten Worte am Rand ihrer Wahrnehmung. Sie hätte sie beinahe verstanden …
Statt dessen stieß sie sich den Zeh an einem Felsen und stolperte. Eine kleine Fledermaus schoß an ihr vorbei, als wollte sie sie mit ihrer Anmut verspotten. Maurynna entschied, daß sie sich lieber auf den Weg konzentrieren sollte, wenn sie nicht hinfallen wollte. Das flackernde Licht der Fackeln warf verwirrende Schatten auf den Pfad; am liebsten hätte sie ein paar Kaltfeuer in die Luft geworfen.
Dann stiegen sie eine Anhöhe hinauf, zum Zunest’sha’sho, dem Einsamen.
Die Erkenntnis ließ sie erneut stolpern. »Ihr Götter«, hauchte sie. »›Der Einsame.«
Also hier hat Dharm Varleran seinen Kummer begraben -für einige Zeit zumindest. Dann starb er, und Pirakos geriet in eine unvorstellbare Hölle.
Der Gedanke ließ sie schaudern. Über die Schulter hinweg flüsterte sie Shima zu: »Warst du früher schon einmal hier?«
Er kam ein wenig näher. »Nein. Ich bin nur ein Geistertrommler; das hier ist eine Angelegenheit für Schamanen.«
Sie blickte zu dem Felsen auf, der über ihnen aufragte. »Müssen wir dort hochklettern?« Ihre Beine waren schon müde, wenn sie nur daran dachte.
Shima lachte leise. »Nein, den Geistern sei Dank. Soviel weiß ich: Was wir suchen, befindet sich in einer Höhle nicht weit von hier.«
Er klang so schuldbewußt, daß sie über die Schulter blickte. »Oh?«
Der junge Tah’nehsieh grinste schief. »Es ist verboten, hierherzukommen, aber es ist auch eine große Herausforderung für Jungen, den Schamanen so weit wie möglich zu folgen, wenn sie die Höhle aufsuchen. Ich hatte Glück; man hat mich nie entdeckt. Mein Freund Teira konnte tagelang nicht sitzen, nachdem man ihn erwischt hatte, so zornig war sein Vater«, flüsterte er.
Der Weg wurde plötzlich viel steiler, und die Menschen warteten, bis Miune schnaufend hinaufwatschelte und manchmal wieder zurückrutschte, bis es wieder gerader wurde. Dann waren die Zweibeiner dran.
Es war nicht so schlimm, wie Maurynna, im Herzen immer noch Seefahrerin, es befürchtet hatte; ihre neue Drachenlordkraft half ihr gewaltig. Den Männern schien der Aufstieg gar nicht aufzufallen. Vielleicht, dachte Maurynna, waren sie so an dieses rauhe Land gewöhnt, daß ein paar hundert Fuß aufwärts oder abwärts keinen großen Unterschied machten.
Dann waren sie wieder auf einem ebeneren Bereich und folgten Miune am Fuß des hochaufragenden Felsens entlang. Es war windig hier oben; die nächtlichen Gerüche der Wüste wurden zu Maurynna getragen: immer noch warmer Staub und der zarte Duft von Blüten, die sich vor der glühenden Sonnenhitze verbargen und sich nur Schwester Mond und den Geschöpfen der Nacht zeigten.
*Hier.*
Die Worte erklangen nur einen Augenblick, bevor der Wasserdrache nach links abbog und mit einem Schnippen seines Schwanzes verschwand. Zhantse folgte ihm. Maurynna stellte fest, daß der Weg zu einem breiten Riß im Felsen führte. Eine Seite der Öffnung ragte weiter vor als die andere und war leicht gebogen. Von unten würde sie nur wie eine weitere Falte des Gesteins aussehen.
Neugierig ging Maurynna hinein. Die Öffnung war breit, aber Miune hatte vermutlich Schwierigkeiten gehabt, hier hereinzuschlüpfen; der junge Drache würde nicht viel länger hierherkommen können.
Dann wurde ihr klar, daß er nach dieser Nacht vielleicht keinen Grund mehr dazu haben würde. Der Schlüssel würde verschwunden sein – und sie würde ihn hüten. Der Gedanke ließ sie beinahe erstarren.
Zhantse hatte ihr Zögern irgendwie gespürt, obwohl er den Grund falsch verstand. Der Schamane drehte sich um und sagte: »Komm. Noch ein wenig weiter, und wir haben mehr Platz.«
Dann schaute er an ihr vorbei und sagte etwas in seiner eigenen Sprache zu Shima, dem Klang
Weitere Kostenlose Bücher