Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Sonne auf.
Der Kopf des wahnsinnigen Echtdrachen bewegte sich vor-und rückwärts, forderte sie heraus, zu versuchen, sich an ihm vorbeizudrängen. Ein tiefes Hoffhoffhoff dröhnte durch die Höhle, ein nervenzerreißendes Echo von Llelds Lachen vor so langer Zeit. Wieder wehte Luft an ihr vorbei, beschwor Bilder von einer blütenübersäten Wiese herauf und davon, wie sie mit Linden nackt in der Sonne gelegen hatte … Maurynna versenkte sich im Trost der Erinnerung. Warum nicht? Sie war zum Untergang verurteilt.
Etwas regte sich in ihrem Geist, während eine weitere, winzige Brise an ihrer Wange vorbeikitzelte.
Pirakos drehte den langen Hals. Luft … saubere, süße Luft … draußen … Nackte Sehnsucht flammte in Maurynnas Geist auf, als Pirakos hektisch die Quelle des Luftzugs suchte. Sein Kopf schoß hierhin und dorthin.
Dann erinnerte sich der Echtdrache wieder an sie. Der große Kopf drehte sich. Ich schmecke Freiheit in dieser Luft, sagte er, und ich werde sie mir nehmen. Aber zuerst …
Mit quälender Langsamkeit streckte er einen krallenbewehrten Vorderfuß aus; das Kaltfeuer glitzerte auf den langen, scharfen Krallen. Seine Augen blitzten in sadistischer Erwartung.
Der Vorderfuß verharrte kaum eine Elle von ihrem Gesicht entfernt.
Die Sänfte wurde zu den großen Toren getragen, die den Eingang zur Höhle versperrten. Aus den Räucherfässern, die die Schüler vor der Sänfte hertrugen, wehte der Duft von Räucherwerk zu ihm zurück. Ein süßer Duft, aber nicht annähernd so angenehm wie die Lobeshymnen, die die Priester zu seiner Ehre sangen.
Haoro stützte sich gegen die rüttelnde Bewegung und lächelte. Sicher, bald würde er dem Ungeheuer selbst gegenüberstehen und einen Teil seines Schmerzes übernehmen. Aber nun stand er an Ehre nur noch dem Kaiser nach; bald würden die Tributkarawanen Reichtümer zu seiner verarmten Familie bringen, und sobald Jhanun den Thron einnahm und die vier Drachenlords an Ort und Stelle waren …
Der Boden bebte. Das Singen wurde leiser, aber die Priester erholten sich einen Augenblick später, als nichts weiter geschah. Die Prozession ging weiter den Weg zum Talboden entlang und vorbei am Sklavendorf und den Kasernen für die Soldaten.
Alle waren draußen, knieten am Straßenrand, verbeugten sich wieder und wieder, als die Sänfte vorbeigetragen wurde. Haoro ließ sich dazu herab, ihnen einen Blick zuzuwerfen.
Auf den Mienen der Soldaten stand nichts als Respekt und hier und da fanatische Ergebenheit. Haoro merkte sich diese Gesichter; diese Männer mochten sich eines Tages als nützlich erweisen.
Die Sklaven … bah. Vieh, das seine Aufmerksamkeit nicht wert war. Einige starrten ihn rebellisch an; es waren überwiegend Tah’nehsieh und Zharmatianer mit dem einen oder anderen Jehangli, der noch nicht gelernt hatte, wo sein Platz war.
Sie würden es lernen. Sie würden es alle lernen. Er war nicht so weich, wie Pah-ko es gewesen war.
Dann ragte das Tor vor ihm auf, und Haoro vergaß die Banalität rebellierender Sklaven. Denn nun würde er seine Macht ergreifen. Sie waren zum Tor gelangt.
Die Priester schwangen weiter Rauchfässer und sangen und standen in zwei Reihen vor den Toren und warteten, während Sklaven an den Ketten rissen, die von den gewaltigen Türgriffen hingen. Langsam und gewichtig schwangen die riesigen Bronzetore Zoll für Zoll auf. Als sie endlich weit offen standen, eilten andere Sklaven herbei, um den wartenden Priestern Laternen und Fackeln zu bringen.
Shima erhob sich steil in die Luft, bis er sicher war, daß man ihn vom Boden aus nicht leicht erkennen konnte, dann segelte er auf dem Wind wie ein Falke. Er beobachtete angespannt den Boden unter sich.
Aber es gab nur das Land selbst, feste rote Erde mit vom Wind geschliffenen Felsen, die wie getrocknete Knochen herausragten.
Verflucht, wo waren sie? Zweifellos würde er sie doch auch aus dieser Entfernung erkennen können …
Er hielt die Luft an. Die Herrin mochte ihm gnädig sein -was, wenn sie immer noch in den Höhlen waren? Dort gab es keinen Fluchtweg, keine Möglichkeit für Maurynna, sich vor Pirakos zu verstecken. Und sollte sie durch ein Wunder dem Drachen entkommen, würde sie trotzdem nicht wieder aus den Höhlen herausfinden können.
Shima wurde eiskalt bei dem Gedanken.
In der Ferne erklang ein Geräusch, das Maurynna nicht recht erkennen konnte, obwohl es ihr irgendwie vertraut vorkam.
Plötzlich wurde der Luftzug stärker. Pirakos schlurfte rückwärts,
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