Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
kaum, wie kalt die Kacheln waren, auf denen er lag. Bald würde er sich erheben, und sie würden ihm den gefiederten Mantel um die Schultern legen. Bald würde er der Nira sein, der zweitmächtigste Mann im Land, nach dem Kaiser – und dieser Kaiser würde Jhanun sein.
Er lächelte, die Wange auf die glatten Kacheln gedrückt, während sich rings um ihn die Macht erhob.
Linden war schwindelig. Die Stimme erklang in seinem Kopf wie ein Tempelgong der Jehangli. Sie war zornig und aufgeregt und … irgendwie sehr, sehr jung. Den Tränen nahe sogar, wenn ein Drache weinen konnte.
Maurynna war in Gefahr … Hinterhalt oder nicht, das konnte er nicht riskieren. Er mußte sich verändern – jetzt.
Er schwang ein Bein über Shans Hals und glitt aus dem Sattel. »Platz!« rief er.
Shan wirbelte herum und rannte davon. Miki, Hillel und Nachtlied folgten, ignorierten ihre Reiter und scheuchten die zharmatianischen Pferde vor sich her.
»Linden, warte!« schrie Lleld, während Miki sie in sicheren Abstand brachte. »Du weißt nicht …«
»Dieses Risiko muß ich eingehen.« Er legte den Kopf zurück und löste sich in Nebel auf. Irgendwo in der Ferne hörte er erschrockene Schreie; Yesuin und Dzeduin, dachte er. Ghulla würde nichts überraschen.
Einen Herzschlag später war er wieder fest geworden, grub die Klauen in den Boden, die Flügel halb entfaltet, und spannte die Hinterbeine für den Sprung an, der ihn in den Himmel tragen würde. Er drehte den langen Hals, um Lleld und Jekkanadar anzusehen. Ich gehe, sagte er ihnen. Kommt ihr mit?
Zur Antwort sprangen sie beide aus den Sätteln und begaben sich in sichere Entfernung von den Pferden und voneinander.
Ja, hörte er sie im Geist, als sie in die Verwandlung glitten. Ein kleiner roter Drache und ein größerer schwarzer standen ihm Augenblicke später gegenüber.
Wohin? fragte Linden die Stimme, die er immer noch im Hinterkopf spüren konnte. Bilder erschienen vor seinem geistigen Auge: Tempel, offen in der Mitte, glühende Steine, die von einer Macht vibrierten, die ihn abstieß.
Nein – nicht er war derjenige, der sich abgestoßen fühlte. Es war derjenige – der Drache –, der mit ihm sprach. Das wußte er nun ohne jeden Zweifel.
Und mit den Bildern kam das Wissen darüber, wo sich diese Tempel befanden. Linden schwang sich in die Luft.
Du bist der schnellste, sagte Lleld in seinem Geist, als er aufstieg. Nimm du den Turm hinter der Stadt. Wir nehmen die beiden anderen. Lleld und Jekkanadar schwangen sich ebenfalls in die Luft.
Linden drehte sich und raste nach Süden.
Der nächste Stein. Wieder packte Maurynna das Schwert; sie holte tief Luft und schlug zu. Und wieder warf sie die Explosion zu Boden. Aber diesmal ließ sie sich mit entspannten Muskeln fallen, wie Lleld es ihr beigebracht hatte.
Nun wieder aufstehen und zum dritten. Aber hier wurde der Weg schmal; er war nicht breiter als zwei Handspannen, während unter ihr ein wahnsinniger Echtdrache nach ihrem Blut schrie und sich auf sie stürzen wollte.
Einen sorgfältigen Schritt nach dem anderen ging sie weiter, wagte kaum Luft zu holen. Schweiß lief ihr über die Wangen. Endlich lag der dritte Stein vor ihr.
Der Chor ging mit einem letzten triumphierenden Ton zu Ende. Zwei Priester kamen, um ihm aufzuhelfen. Haoro blieb stehen, während zwei weitere ihm den gefiederten Mantel um die Schultern legten. Er war überraschend schwer. Er schaute hinab auf die goldenen Federn, die ihn wie ein Glühen umgaben.
»Die Sänfte wartet, Heiliger«, murmelte einer der Priester.
Haoro tastete nach dem kleinen Messer in der Scheide im Ärmel. Wenn sie sich erst im Gefängnis des Geschöpfs befanden, würde er seinen Arm ritzen und das schreckliche Ding mit seinem Blut besprühen und damit das Band zwischen ihnen besiegeln. Seine tastenden Finger fanden schließlich, was er suchte.
»Ich bin bereit«, sagte er.
Sie brachten ihn zur Sänfte des Nira.
Linden spürte das Bild des Tempels mit dem glühenden Stein abermals in seinem Kopf. Damit kamen Gefühle von Angst und Haß; tief drinnen spürte er die Anfänge seines eigenen Zorns. Drachenzorn. Rathan, seine Drachenhälfte, rührte sich. Linden benutzte diesen Zorn. Er raste über den Himmel wie ein Komet.
Vor dem dritten Stein war kaum Platz, um sich niederzuknien. Maurynna setzte sich vorsichtig zurecht und versuchte, nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn sie nach vorn fiele.
Pirakos war nun allerdings ruhig. Sie wagte einen Blick zu
Weitere Kostenlose Bücher