Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
zu denunzieren, die in ihrer Abwesenheit die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich gezogen hatten. Und dann all der Ärger, den es gekostet hatte, sich darum zu kümmern, daß anschließend dieser Eunuch einen passenden … Unfall erlitt. Noch ein Narr; er hätte nicht versuchen sollen, sie zu erpressen. Wäre er treuergeben gewesen, hätte sie ihn reich belohnt.
Sie faltete die Hände im Schoß und lächelte beinahe unmerklich. Es gab immer welche, die glaubten, ihren Platz einnehmen zu können – wie Jhanun und diese Nichte, die er zu Xiane geschickt hatte. Shei-Luin erinnerte sich an das ausdruckslose Gesicht und wußte, daß diese Frau keine wirkliche Rivalin sein würde. Dieses blutarme Kaninchen hatte nicht genug Feuer, um Xiane zu halten.
Aber sie, Shei-Luin, hatte es. Sie war jahrelang nicht mehr beim Pferdevolk gewesen und nur halb von ihrem Blut, aber in ihrer Seele war sie immer noch Zharmatianerin. Was sie nahm, ließ sie nicht mehr los – auch das Herz des Kaisers. Und sie war die einzige, die Xiane Kinder geschenkt hatte; starke, gesunde Söhne.
Gesunde Söhne. Bei diesem Gedanken mußte sie die Lippen zusammenpressen, um das Lächeln zu unterdrücken, das dort wuchs. Bald würde sie Yesuin wiedersehen und ihm sagen, daß sie ihm verziehen hatte. Ihr Herz bebte bei dem Gedanken. Sie konnte nicht länger böse auf ihn sein – besonders, da sie nie gehört hatte, daß man wirklich nach ihrem Vater geschickt hatte. Yesuin hatte ihren Rat wohl schließlich doch befolgt und Xiane diese Dummheit ausgeredet.
Murohshei näherte sich, eine Tasse Tee in der Hand. Er kniete nieder und bot sie ihr an. »Herrin, eine Erfrischung, bevor Eure Sänfte eintrifft?« Seine helle Eunuchenstimme erhob sich über die Unruhe in der Halle.
Shei-Luin nahm die Schale entgegen. Es war ein zartes Ding aus feinem weißem Porzellan, so dünn, daß es aussah, als könnte sie beinahe in der Luft schweben, mit goldenen Phönixen als Muster. Eine Teeschale, die nur ein Mitglied der kaiserlichen Familie oder eine hochgeschätzte Favoritin benutzen durfte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie eine ähnliche Schale in Yesuins gebräunten Händen, erinnerte sich an die Nächte, in denen er sie insgeheim in ihren Gemächern besucht hatte.
Shei-Luin trank. Der Geschmack war sauber und leicht bitter unter der Süße von Jasminblüten. Über den Rand der Schale hinweg sah sie Murohshei an. Seine Augen lächelten ihr zu. Es war derselbe Tee, den sie und Yesuin immer tranken, nachdem … er würde so überrascht sein, wenn sie aus dem Geheimgang in sein Zimmer kam. Wenn sie nur den kleinen Xu mitnehmen könnte; aber man hatte ihn bereits mit seiner Amme und seinem Bruder in die Hügel geschickt, um den Dämonen des Sommerfiebers zu entgehen, die sich bald erheben würden.
Aber zumindest sie würden an den Hof zurückkehren. Ja, zweifellos gäbe es dort viele, die entsetzt darüber wären, daß Xiane sie vor Ablauf ihrer Reinigungszeit zurückrief, aber sie würde ihren Zorn riskieren. Sie glaubte zu wissen, wieso Xiane diesen Kurs eingeschlagen hatte.
Shei-Luin gestattete sich bei diesem Gedanken ein leises Lachen des Entzückens. Einige ihrer Frauen hielten inne bei ihrer Beschäftigung mit den Truhen und sahen sich überrascht an. Die Jüngeren lächelten und glaubten zweifellos, daß ihre Herrin so glücklich war wie sie, zu dem Palast und den Unterhaltungen und Aufregungen des kaiserlichen Hofes zurückzukehren.
Wenn nur Tsiaa hier wäre …
»Murohshei, verbrennst du immer noch Räucherwerk für Tsiaas Seele?«
Murohshei nickte. Er war wieder ernst geworden. »Und auch einen Phönix aus gelbem Reispapier, so daß der Phönix weiß, daß sie ihr Leben für das Reich geopfert hat.«
»Das ist gut.« Ihr wurde kalt. Wenn Xiane wüßte, wie Tsiaa dem Kaiserreich gedient hat, würden wir mit unseren Leben zahlen – und das Reich würde von einander bekriegenden Fürsten zerrissen wie ein Lamm von hungrigen Wölfen. Das werde ich nicht erlauben. Xianes Blut ist schwach, aber das meiner Söhne nicht Der Phönixthron soll ihnen gehören, und nach ihnen ihren Söhnen, einer neuen, mächtigen und starken Dynastie.
Eines Tages würde Tsiaa mehr haben als einen Eunuchen, der heimlich Räucherwerk im Gedenken an sie verbrannte. Dafür würde Shei-Luin sorgen.
»Herrin!«
Zyuzins süße, hohe Knabenstimme erklang. Er kam durch den Audienzsaal gerannt; er hatte sein Gewand mit weichen, weißen Händen gerafft, und seine gemusterten Pantoffeln
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