Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
er konnte nichts sagen oder tun. Raven war ihre einzige Möglichkeit.
»Dummer Junge!« fauchte er. »Welchen Ärger hast du uns gemacht?«
Die barschen Worte hatten die Wirkung, die er gehofft hatte. Die Farbe kam in Ravens Gesicht zurück, und der Schrecken wich glühendem Zorn.
»Das ist schon besser, Junge«, sagte Linden leise auf Yerrin. »Mach dir keine Gedanken; es ist vielleicht harmloser, als du denkst.«
Zuerst glaubte Raven, den Berglandakzent nicht zu verstehen. Dann schaute er beim Klang der Sprache seiner Kindheit schließlich eher überrascht als wütend drein.
»Und jetzt hol tief Luft; wir kommen da schon raus«, fuhr Linden fort. Das hoffe ich jedenfalls.
Ravens Brust hob sich in einem langen, tiefen Atemzug, und der junge Mann nickte kaum merklich.
Linden erhob sich und gab eine Ruhe vor, die er selbst nicht spürte. »Worum geht es?« sagte er zu Jekkanadar. Er ging lässig ums Bett herum und stellte sich wie zufällig zwischen Maurynna und die Soldaten.
»Sie haben eine Leiche gefunden«, sagte der andere Drachenlord. »Sie glauben, das hätte etwas mit uns zu tun.«
Linden runzelte die Stirn; wer konnte das sein? Taren war wieder hier, also war er es nicht …
»Verflucht – weiß einer, ob Willisen, Vaden und Revien heute nacht nach Hause gekommen sind?«
»Verdammt«, hauchte Linden so leise, daß nur ein anderer Drachenlord ihn verstehen konnte.
Einer der Soldaten, offensichtlich der Kommandant, fauchte: »Still« und sagte in gebrochenem Assantikkanisch zu Jekkanadar: »Was der sagen? Ihr alle kommen. Jetzt.«
Linden wechselte zum Assantikkanischen. »Wir sind eine Gauklertruppe. Unser Sänger ist krank«, begann er und zeigte auf den grimmig dreinschauenden Otter. Er gab auf, als er die verständnislose Miene des Jehangli sah.
Er versteht vielleicht ein Wort von dreien, dachte Linden. Wenn wir es nur wagen könnten, Jehangli zu sprechen! Ich bin sicher, wir könnten uns verständlich machen. Er dachte nicht einmal daran, Taren zu wecken; der Mann hatte am vergangenen Abend kurz vor einem Zusammenbruch gestanden.
Der Soldat wandte sich einem seiner Kameraden zu. »Finde einen Dolmetscher, der Assantikkanisch spricht«, befahl er. Der Soldat salutierte und ging.
Den Göttern sei Dank, der Mann hat Vernunft. Linden wechselte einen erleichterten Blick mit Jekkanadar.
Er dachte daran, Jekkanadar auf Arolan zu fragen, was los war, aber der Hauptmann schien schon schlecht gelaunt genug, es wäre dumm, ihn noch weiter zu verärgern. Wenn er nur gewagt hätte, sich in Gedanken mit Jekkanadar zu verständigen. Was konnte es bloß sein? Und was bedeutete das für sie?
Der Hauptmann gab seinen Männern und dem Dolmetscher einen leisen Befehl. Vier Soldaten verließen das Zimmer.
Der Mann hatte zwar zu rasch gesprochen, als daß Linden ihn verstanden hätte, aber der Drachenlord war sicher, was es bedeutete: »Treib sie alle zusammen. Bring sie hierher.«
Daß er recht gehabt hatte, wurde kurze Zeit später bestätigt, als einige der Mitglieder der zweiten Truppe hereingeführt wurden, Vaden taumelnd und mit blutunterlaufenen Augen, die von zuviel schlechtem Wein kündeten.
Es mußte tatsächlich, wie eine dreiste Stimme in Lindens Hinterkopf feststellte, ein wüstes Würfelspiel gewesen sein.
Der Dolmetscher, der Schreiber eines Kaufmanns, der Assantikkanisch sprach – zumindest mehr oder weniger –, übersetzte die Nachrichten des Hauptmanns über die Leiche, die an diesem Morgen gefunden worden war. »Fehlt hier jemand?« schloß er.
Dorilissa sah sich um. »Ich spreche nicht gut Assantikkanisch; kann ihm jemand sagen, daß wir noch nicht alle hier sind, sondern …« Sie schaute Vaden an.
»Willisen ist nach dem Würfelspiel bei den Seeleuten von unserem Schiff geblieben«, murmelte er. »Er war so betrunken, daß er nicht mehr laufen konnte, und die Seeleute auch; ich hätte ihn nicht zurückschleppen können.«
»Revien?«
»Hat eine Hure gefunden, bei der er bleiben kann – wie gewöhnlich.« Vaden ächzte und legte die Hände an den Kopf. »Mein Kopf!«
Jekkanadar berichtete all das dem Schreiber, der es seinerseits an den Jehangli-Hauptmann weitergab.
Der Befehl folgte sofort. »Hauptmann Riushi möchte, daß alle mitkommen.«
»Nein«, sagte Linden sofort. »Von unserer Truppe bleiben die beiden jüngsten und der alte Mann hier.« Maurynna durfte auf keinen Fall in die Hände der Soldaten fallen; sie war die Verkörperung ihres Auftrags. Wenn etwas schieflief
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