Drachenmagier
Lebenskraft seines
Körpers, wie eben bei
dem Hund. Sehnsucht stieg in ihr auf, daß er sich umdrehen
möge, sie in die
Arme schließen, festhalten, ihr etwas von seiner Kraft
abgeben und etwas von
der ihren in sich aufnehmen.
»Mein Gemahl!«
flüsterte sie, und ihr Griff verstärkte sich.
Samah machte sich von
ihr los. Er war eine Zurückweisung, als er ihre
Hände in die seinen nahm,
übereinanderlegte und mit dürren Lippen ihre
Fingerspitzen küßte.
»Es gibt nichts zu
verzeihen, meine Liebe. Du hattest recht, für diesen Mann zu
sprechen. Die
Anspannung fordert ihren Tribut von uns beiden.«
Er gab ihre Hände
frei.
Orla zog sie nicht
gleich zurück, sondern hielt sie ausgestreckt, als
wortlose Bitte, doch Samah
stellte sich blind.
Endlich ließ sie die
Hände sinken, bemerkte den Hund, der sich an ihr Bein
drückte, und kraulte ihn
geistesabwesend hinter dem Ohr.
»Die Anspannung. Ja,
das wird es wohl sein.« Ihr tiefer Atemzug war
eigentlich ein Seufzen. »Du
bist heute morgen sehr früh aus dem Haus gegangen. Gibt es
Neuigkeiten von den
Nichtigen?«
»Ja.« Samah blickte
über den Garten, nicht auf seine Frau. »Die Delphine
melden, daß die
Drachenschlangen die zerschmetterten Schiffe der Nichtigen wieder
instandgesetzt
haben. Die Nichtigen selbst haben eine Konferenz abgehalten und
beschlossen,
ihre sogenannte ›Große Fahrt‹
anzutreten. Ganz offensichtlich rüsten sie zum
Krieg.«
»Aber sie werden doch
nicht…«, wollte Orla einwenden.
»Selbstverständlich
haben sie vor, uns anzugreifen«, fiel Samah ihr unwillig ins
Wort. »Es sind
Nichtige, oder nicht? Wann in ihrer gesamten blutigen Geschichte
hätten sie je
ein Problem anders als mit Waffengewalt
gelöst?«
»Vielleicht haben sie
sich geändert…«
»Der
Patryn führt sie an. Die Drachenschlangen sind ihre
Verbündeten. Sag mir, Orla,
was, glaubst du, haben sie für
Absichten?«
Sie ignorierte seinen Sarkasmus. »Du hast einen
Plan?«
»Ja, ich habe einen
Plan, den ich mit dem Rat diskutieren werde«,
fügte er mit einem Nachdruck
hinzu, der vielleicht unbewußt, vielleicht beabsichtigt war.
Eine feine Röte stieg
Orla in Stirn und Wangen, sie sagte nichts darauf. Es hatte eine Zeit
gegeben,
als er seine Pläne und Gedanken zuerst mit ihr besprach, aber
das war vor der
Großen Teilung gewesen und nur noch wehmütige
Erinnerung.
Was ist mit uns
geschehen? Sie versuchte sich zu erinnern. Was habe ich
gesagt? Was getan? Und
wie ist es möglich, daß ich denselben Fehler wieder
und wieder begehe?
»Bei der nächsten
Sitzung werde ich außerdem beantragen, daß
man endlich über das Schicksal
deines ›Freundes‹ abstimmt«, bemerkte
Samah, wieder in unüberhörbar
sarkastischem Ton.
Orla fror innerlich.
Sie streichelte den Hund, damit er bei ihr blieb.
»Was wird mit ihm
geschehen, glaubst du?« fragte sie mit
vorgetäuschter Sachlichkeit.
»Das liegt beim Rat.
Ich werde meine Empfehlung abgeben.« Er schickte
sich an zu gehen.
Orla berührte ihn am
Arm. Sie fühlte, wie er zurückzuckte, doch
sein Gesichtsausdruck, als er sich
ihr zuwandte, war liebenswürdig, geduldig. Vielleicht
hatte sie sich die Geste
des Widerwillens nur eingebildet.
»Ja, meine Liebe?«
»Es wird ihm nicht
ergehen wie – wie den anderen?« Ihre Stimme brach.
Samahs Augen wurden
schmal. »Das muß der Rat entscheiden.«
»Es war nicht recht, was
wir damals getan haben«, sagte Orla fest. »Es war
nicht recht.«
»Willst du damit
sagen, du würdest dich gegen mich stellen? Gegen den
Beschluß des Rats? Oder
vielleicht hast du es bereits getan?«
»Was soll das heißen?«
Sie starrte ihn verständnislos an.
»Nicht alle, die
geschickt wurden, kamen an ihrem Bestimmungsort an. Die einzige
Erklärung ist,
daß sie wußten, welches Schicksal sie erwartete.
Und die einzigen, die es
ihnen hätten sagen können, waren die
Mitglieder des Rats…«
Orla richtete sich
hoch auf. »Wie kannst du es wagen!«
Samah schnitt ihr das
Wort ab. »Ich habe jetzt keine Zeit dafür. Der Rat
wird in einer Stunde
zusammentreten. Ich schlage vor, daß du das Tier zu
seinem Herrn zurückbringst
und Alfred sagst, er solle seine Verteidigung vorbereiten. Man
wird ihm
selbstverständlich Gelegenheit geben, zu
sprechen.«
Der Archont verließ
den Garten und schlug den Weg zur Versammlungshalle ein. Fassungslos,
empört,
schaute Orla ihm nach, sah, wie Ramu sich zu ihm
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