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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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sie was zu essen haben«, sagte ich und öffnete die Tür zum Cafe.
    Hinter dem Tresen stand eine Frau in einer gestreiften Schürze. Vor dem Tresen saß ein Mann auf einem Hocker. Er drehte sich um und guckte uns an. Vor dem Mann stand ein Glas Milch. Er trug einen zerknautschten Anzug und ein weißes Hemd und hatte fast so eine Frisur wie Elvis. Er wirkte noch nicht besonders alt. Wahrscheinlich gehörte ihm der Amerikaner. Die Frau war ungefähr so alt wie Großmutter. Sie hatte einen Teller in der Hand, den sie jetzt vor dem Mann abstellte. Der Duft stieg mir in die Nase, und mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Auch Kerstin schaute auf den Teller. Der Mann nahm einen Happen, kaute und sah die Frau an.
    »Die schmeckt ja toll.«
    »Das will ich aber auch hoffen«, antwortete sie und drehte sich zu uns um.
    »Was kann ich für euch tun, Kinder?«
    Hinter ihr hing eine Tafel. Darauf standen die Gerichte. Alles war sehr teuer. Hier gab es kein billiges Essen, obwohl das Cafe nicht teuer wirkte. Aber ich war noch nie in einem richtigen Restaurant gewesen und hatte also keinen Vergleich. Wahrscheinlich war es immer teuer, wenn man sich das Essen kochen und vorsetzen ließ, als wäre man ein Kaiser.
    »Können wir ein bisschen … Kartoffelbrei haben?«, fragte Kerstin. »Kartoffelbrei?«
    Die Frau drehte sich zu der Tafel um, als hätte Kerstin etwas darauf entdeckt, was die Frau noch nie gesehen und wovon sie auch noch nie gehört hatte. Die Gerichte waren aus kleinen Plastikbuchstaben zusammengesetzt, die in Rillen in einen grünen Filz geklemmt waren. Hier und da fehlte ein Buchstabe, als könnten die Leute in diesem Cafe nicht richtig schreiben. Aber ich verstand es auch so. In Japan wäre es ganz anders gewesen, wenn wir ein Restaurant betreten hätten.
    »Kartoffelbrei«, wiederholte die Frau, während sie auf die Tafel starrte. Sie drehte sich wieder um. »Nur Kartoffelbrei gibt es bei uns nicht.«
    »Da steht es doch.« Kerstin zeigte auf die Tafel. »Isterband mit Kartoffelbrei und Rote Bete.«
    Die Frau sah auf den Teller des Mannes. Darauf lagen Kartoffelbrei mit der Isterband und Roten Beten. Er hatte aufgehört zu essen und schaute Kerstin an.
    »Wir möchten aber nur Kartoffelbrei«, sagte Kerstin.
    »Warum?«, fragte die Frau. Ihr Blick ging zwischen Kerstin und dem Teller hin und her. »Unsere Bratwurst schmeckt sehr gut.«
    »Vielleicht sind sie Vegetarier.« Der Mann lächelte, wischte sich den Mund ab und legte die Serviette auf den Tisch.
    »Vegeta… Vetra… Vegetr… was ist das?«, fragte die Frau. »Leute, die kein Fleisch essen«, sagte der Mann. »Es gibt auch Hähnchen«, sagte die Frau. Der Mann brach in Gelächter aus.
    »Uns reicht Kartoffelbrei«, sagte Kerstin, als der Mann verstummte.
    »Mögt ihr denn Bratwurst?«, fragte der Mann, ohne uns direkt anzusehen. »Jaaa …«, sagte ich.
    Isterband war eine Bratwurst, die aus Fleisch und Gerstengraupen hergestellt und dann getrocknet und geräuchert wurde, bevor man sie briet. Es war die leckerste Wurst, die es gab.
    »Und du?« Der Mann sah Kerstin an. »Jaaa …«, sagte sie.
    »Geben Sie den Kindern je eine Portion«, sagte der Mann zu der Frau, »und setzen Sie es auf meine Rechnung. Die beiden sehen ja ganz ausgehungert aus.«
    Die Frau nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet, als dass er Kinder einladen würde, die auf der Flucht waren. Weder Kerstin noch ich brachten im Augenblick einen Ton hervor. Wir konnten nicht protestieren. Wir hörten unsere Mägen knurren und schauten uns an. Natürlich hätten wir die Einladung dankend ablehnen und weggehen können. Aber es war klüger, die Chance wahrzunehmen, die sich bot. Es war besser, sich satt auf den Weg zu machen, sonst würden wir ständig an Essen denken.
    »Was für ein Glück, dass sie keine Vegetra… äh, wie die nun heißen, sind«, sagte die Frau, drehte sich um, bückte sich zu einer Durchreiche in der Wand, rief »zweimal Isterband!«, drehte sich wieder um, sah Kerstin und mich an. »Sonst wärt ihr wahrscheinlich verhungert.«
    »Jedenfalls in diesem Teil des Landes«, sagte der Mann.
    »Essen sie woanders kein Fleisch?«, fragte die Frau. Jetzt sah sie aus, als glaubte sie, der Rest des schwedischen Volkes wäre Wiederkäuer.
    »Woanders gibt es keine Isterband«, sagte der Mann.
    »Die Leute können einem leidtun«, sagte die Frau.
    Und sie konnten einem wirklich leidtun. Eine halbe Minute später kamen die Bratwürste, zwei auf jedem Teller, ein Berg

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